Volkswagen baut zukünftig nur noch Sportwagen. Ja, die Meldung würde überraschen. Natürlich überlassen die Wolfsburger das ihrer Marke Porsche. Der Vergleich dient dem MG ZS EV. Bei den ersten beiden Buchstaben denkt man an britische Sportwagen. Doch der ZS ist ein elektrischer (EV) Kompakt-SUV. Die 1924 gegründete Automarke Morris Garage (MG) gehört heute SAIC. Die Shanghai Automotive Industry Corporation ist mit 5,6 Millionen verkauften Pkw (2020) Chinas größter Autohersteller. Mithilfe von MG möchte man Deutschland erobern: Den Anfang macht ein Plug-In-Hybrid, nun folgt der kompakte SUV. Im Sommer startet mit dem MG Marvel R ein ausgewachsener SUV und im Herbst folgt der MG 5. Letzterer wird einer der wenigen elektrischen Kombis auf dem Markt sein. Bis Ende 2021 will man in jeder Großstadt mit einem Händler vertreten sein.
Umfangreiche Ausstattung
Mit den Bauformen seiner Autos deckt der chinesische Hersteller die beliebtesten Familienautos und damit den Massenmarkt ab. Aus den Fehlern der Vorgänger hat man gelernt. Erste Autos aus China vielen aufgrund fataler Crashtests bei potentiellen Kunden durch. Der MG ZS EV dagegen erhielt fünf Sterne im EURO NCAP Crashtest. Somit nehme ich guten Gewissens in meinem Testwagen Platz. Energielösung durfte den Kompakt-SUV zwei Wochen testen. Dabei sitze ich in der Variante „Luxury“, die neben einer „Comfort“-Version angeboten wird. Der Name ist – zumindest bei der technischen Ausstattung – Programm: adaptiver Abstandstempomat, Stauassistent, Spurverlassenswarner sowie eine automatische Notbremsung bei Querverkehr. Die Frontkamera erkennt Verkehrsschilder und zeigt Tempolimits im Navi an. Auf dem farbigen acht Zoll-Display wähle ich zwischen Digitalradio, Apple CarPlay, Android Auto und dem Navi. Zum Öffnen der Fahrertür bleibt der Schlüssel in meiner Hosentasche. Der Fahrersitz ist elektrisch verstellbar, beide Vordersitze sind beheizt und nach oben blicke ich durch ein Glaspanoramadach, dessen vorderer Teil sich öffnen lässt. Es gibt eine Rückfahrkamera sowie Parksensoren. Drei USB-Anschlüsse versorgen mobile Geräte mit Energie.
Kinderkrankheiten der Technik
Das liest sich toll, doch noch vor der Abfahrt kommt das große ABER: Das Lenkrad kann ich nur in der Höhe verstellen, nicht zu mir heranziehen. Die zwei analogen Anzeigen für Tempo und Energieverbrauch wirken reichlich altmodisch in einem Elektroauto. Nach dem Drücken des Startknopfs sind zwar beide Displays an, ich kann auch einen Gang wählen, doch der Wagen fährt nicht los. Im Fahrerdisplay entdecke ich die Anzeige: HV Battery Shut off. Ja, auch wenn das Menü auf Deutsch eingestellt ist, muss man bei diesem Modell dem Englischen mächtig sein. Die Anzeige bedeutet: Mein Hochvoltbatterie liefert dem Frontmotor (105 kW) keine Energie. Ok, Wagen aus und noch mal versuchen. Jetzt klappt es. Es sind halt Computer auf Rädern. Die Eingabe eines Ziels im Navi breche ich entnervt ab. Das System setzt Eingaben im Zeitlupentempo um. Da nutze ich lieber die Karten-App über CarPlay.
Nach dem Losfahren interessiert mich meine verbleibende Reichweite. Die Kilometerzahl steht nur sehr klein im Bildschirm hinter dem Lenkrad. Über einen Kippschalter in der Mittelkonsole kann ich die Angabe vergrößern. Laut Hersteller sind 263 km drin. In meiner Testzeit lag das Maximum nach dem Laden der Batterie mit 42,5 kWh nutzbarer Energie bei 210 km. Gut, außen herrschen Temperaturen im einstelligen Bereich und ich wollte es innen angenehm warm haben.
Günstiger Einstieg in Elektromobilität
Beim Ladestopp freue ich mich über den Anschluss in der Front. Das erleichtert die Anfahrt öffentlicher Ladesäulen. Nach leichtem Druck auf das MG-Logo schwingt die Klappe nach oben und gibt den CCS-Anschluss frei. Die flüssigkeitsgekühlte Batterie soll mit bis zu 85 kW Gleichstrom laden. Ich schaffe es nie über 32 kW. Beim Laden mit Wechselstrom springen die Chinesen ebenfalls zu kurz. Es sind nur einphasig 6,6 kW drin. Beim Verbrauch gibt der Hersteller den NEFZ Wert von 13,8 kWh auf 100 km an. Rechnerisch liegt der Wagen bei 16,1 kWh. Mit 17,3 kWh liegt mein Erfahrungswert nur knapp drüber. Praktisch wäre eine Smartphone-App, da es hier meist Auswertungen der Fahrdaten zu sehen gibt. Noch fehlt die App.
Auf Autobahnen (bis zu 140 km/h), aber auch in der Stadt nutze ich gern den Abstandstempomaten. So auch hier. Doch das knarrende Geräusch beim automatischen Bremsen bereitet mir Sorgen. Die Aufzählung der Dinge, die alle nicht wie erwartet funktionieren, mag schockieren. Doch im Großen und Ganzen hat während meiner Testzeit alles funktioniert. Wirklich positiv überrascht war ich von der Verarbeitung des Kompaktfahrzeugs. Weder an den Spaltmaßen noch an den Übergängen der Materialien im Innenraum kann ich etwas aussetzen.
Vor allem muss man das gesamte Paket betrachten und damit kommen wir zum unschlagbaren Preis. Der MG ZS EV startet bei 32.000 Euro. Mit der vollen Förderung durch die BAFA landet man bei rund 23.000 Euro für ein gut ausgestattetes Elektroauto. Der Hersteller gewährt sieben Jahre oder 150.000 km Garantie auf das gesamte Fahrzeug, einschließlich Lithium-Ionen-Batterie und Elektromotor.
Fazit
Das Fazit lautet: Der MG ZS EV ist ein solides Auto. Beseitigt MG die Kinderkrankheiten der genannten Funktionalitäten, wird das kompakte Familienauto zu einer attraktiven und vor allem preiswerten Erweiterung der elektrischen Angebotspalette. Spätestens beim größeren MG Marvel R muss alles stimmen. Ein Name, der an Superhelden erinnert und Wunder bedeutet, weckt eine besonders hohe Erwartungshaltung.
Technische Daten
Preis | ab 32.000 € |
Antrieb: | FWD (permanent-erregter Synchronmotor) |
Motorleistung: | 105 kW |
Beschleunigung: | 8,1 Sek. |
Höchstgeschwindigkeit: | 140 km/h |
Drehmoment: | 353 Nm |
Batteriekapazität: (ges./nutz.) | 44,5 / 42,5 kWh |
Ladeleistung AC /DC: | 6,6 kW einphasig / 85 kW |
Reichweite (WLTP): | 263 km |
Verbrauch: | 13,8 NEFZ (rechnerisch 16,1 kWh) |
Gewicht: | 1.518 kg |
Maße L, B, H: | 4.314, 1.809, 1.644 mm |
Radstand: | 2.585 mm |
Stauraum Front / Heck: | 0 / 448 l (1.116 l mit umgeklappter Rückbank) |
Herstellerseite:
Quelle: Dirk Kunde