Vielleicht geht es euch mittlerweile auch so, wenn ihr in den Urlaub fahrt: Irgendein innerer Anspruch lässt mich immer vergleichen, wie der Ausbau der Ladeinfrastruktur in anderen Ländern, verglichen mit dem Status Quo hierzulande, vorangeht. Haben wir eine Vorreiterrolle, gerade weil sich Politik und die hiesige Automobilindustrie doch einvernehmlich auf die Stärkung der Elektromobilität festgelegt haben?
Einen Blick über den großen Teich konnte ich in meinem diesjährigen USA-Urlaub wagen. Bei einem Westküsten-Roadtrip kam ich nicht darum herum, instinktiv nach Ladepunkten auf unserer Route Ausschau zu halten. Zugegeben, gebraucht habe ich sie nicht, da unser Roadtrip ganz konventionell und ohne E-Antrieb über die Bühne gegangen ist. Dieses Mal zumindest! Welche Erkenntnisse ich aus der Beobachterrolle mitnehmen konnte, möchte ich euch in den nachfolgenden Zeilen näherbringen.
Ist das Heimatland der Pick-Ups bereits unter Strom?
Natürlich ist mein Eindruck subjektiv und mit Sicherheit nicht gültig für die Gesamtheit der USA – ich bin mir sicher, dass wir im Westen des Landes so ziemlich im unangefochtenen Paradies für E-Fahrer*innen in den USA unterwegs waren. Aber eines wird in Städten wie San Francisco und Co. deutlich: Es gibt sie, die E-Mobilist*innen!
Dominiert wird der Fahrzeug-Mix, wenig überraschend, von einer amerikanischen Hausmarke: Tesla. Obwohl es in der umtriebigen Großstadt sehr hektisch zugeht und Platz eine absolute Mangelware ist, setzen die Amerikaner*innen auf die (für europäische Verhältnisse) doch eher groß dimensionierten Fahrzeuge. Sowohl Verbrenner-Fahrzeuge als auch Stromer haben in den Staaten durchschnittlich einfach größere Dimensionen.
Was die öffentliche Ladeinfrastruktur betrifft, so habe ich kaum innerstädtische Ladepunkte entdecken können. Einzig eine Pharmazie-Kette hatte einen (kostenpflichtigen) DC-Schnelllader auf dem Kundenparkplatz. Hier gab es neben einem (für uns) exotischen ChAdeMO-Ladestecker ebenfalls einen proprietären Anschluss für Tesla-Fahrzeuge. Aber auch den hierzulande als Standard geltenden Typ 2/CCS-Stecker konnte man vorfinden.
In den hügeligen Wohnarealen der Golden-Gate-Stadt konnte man hin und wieder Wallboxen in den Garagen der Bewohner entdecken. Es gibt sie also zumindest im privaten Bereich, die Ladeinfrastruktur!
Überrascht hat mich definitiv, wie wenig bis überhaupt nicht öffentliche Ladeinfrastruktur im mittelbar urbanen Bereich wahrnehmbar war. Zumindest nicht an den Orten, wo wir in Europa gewohnt wären, unser Auto aufladen zu können. Keine langen Reihen an „Laternenparkern“, keine AC-Ladepunkt in der Nähe von Sehenswürdigkeiten, wie man das hierzulande mittlerweile gewohnt ist.
Geladen wird wohl fast ausschließlich zu Hause. Das klappt: Moderne E-Autos sind wie dafür geschaffen, die Strecken des täglichen Bedarfs abzudecken.
Elektrisch über den Highway?
Es gibt sie dann aber doch! Die öffentlichen Ladeparks am Rande von High- und Freeway! Das bekommt man auch als Verbrenner-Roadtripper in regelmäßigen Abständen zu sehen. Fast immer handelte es sich um die Ladeinfrastruktur des vorherrschenden Primus: Tesla mit seinen Superchargern. Meist zu einem Dutzend oder noch mehr Ladepunkten zusammengefasst, hat sich das Unternehmen Areale in direkter Nähe zu den Reisestraßen gesichert. Meist sind Fast Food-Ketten oder andere Etablissements nicht weit davon entfernt, sodass den Ladenden ein interessantes Package für den kurzweiligen Aufenthalt geboten wird.
Death Valley. Kaum Wasser, aber Strom?
Unsere Route hätte für einen Westcoast-Roadtrip kaum klischeehafter sein können: Nach einigen Stopps in Kalifornien hieß unser nächstes Ziel: Wüste Nevada.
Eine Reiseetappe, bei der wir sogar als „Verbrenner-Roadtripper“ Begriffe wie „Tankplanung“ und „Reichweitenangst“ ausgiebig durchdiskutiert haben, um auf der sicheren Seite zu sein. Den dystopischen Namen trägt die Region zu Recht. Temperaturen bis 46 Grad und kein Hinweis auf Zivilisation abseits der Straße waren teilweise für unzählige Meilen der absolute Normalfall. Da heißt es gerne mal 2 Stunden geradeaus durch die Wüste fahren, bis die nächste Tankstelle oder Ähnliches am Horizont auftaucht.
Und was wir bei unseren Stopps zu unserer Verwunderung ebenfalls regelmäßig gesehen haben: Ladeparks! In diesen unwirklichen Regionen, in denen die Einwohnerzahlen je Ortschaft oft im zweistelligen Bereich rangieren und man sich als Tourist gar nicht so wirklich vorstellen kann, wo denn nun Strom und Wasser inmitten dieser Einöde herkommen können. Primus Tesla war hier natürlich wieder am präsentesten. Aber auch andere, markenunabhängige, Anbieter scheinen deutlich zu expandieren. Auf unserer Strecke sind uns einige Male Ladeparks mit mehreren Ladepunkten des Anbieters „Electrify America“ in direkter Nachbarschaft aufgefallen. Das zum Volkswagen-Konzern gehörende Unternehmen befindet sich aktuell in einer massiven Expansionsphase und hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2027 2.000 Ladepunkte an fast 500 Standorten in Betrieb zu nehmen. Ein wichtiger Schritt für den Erfolg der E-Mobilität in den Staaten, denn Tesla hält das flächendeckend ausgebaute Ladenetzwerk, Stand jetzt, dank proprietärem Ladeanschluss exklusiv für die Fahrzeuge der eigenen Marke vor. Andere Anbieter machen es somit für die Kunden verschiedenster Marken erst so richtig interessant, ebenfalls auf ein E-Fahrzeug umzusteigen.
Der nächste Roadtrip wird elektrisch!
… was ich nicht einfach als Floskel so stehen lassen möchte! Zwei Wochen Westküsten-Roadtrip haben mir gezeigt, dass das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ durchaus fit für den Schritt in die elektrische Zukunft zu sein scheint. Vor allem was den überregionalen Verkehr betrifft,
Was einst der üppig dimensionierte Pick-Up-Truck war, könnte künftig der groß dimensionierte Ladepark werden. Als Urlauber hatte ich den Eindruck, dass die großen Konzerne unter sich ausmachen, wer hier eine marktbeherrschende Stellung einnehmen wird. Man darf gespannt sein, welchen Einfluss das in diesem Jahr gestartete Förderprogramm der US-Regierung zum Ausbau der Ladeinfrastruktur nehmen wird. Mit umgerechnet 4,4 Milliarden Euro Fördersumme lässt sich auch in einem derart großen Land wie den USA viel in puncto Verkehrswende bewegen.
Ich für meinen Teil kann mir durchaus vorstellen, dass der nächste Roadtrip – zumindest die technologieoffene Westküste entlang – vollelektrisch von statten geht. Ich freue mich auf eine Zukunft, in der Kilowattstunden dem Hubraum Stück für Stück den Rang ablaufen!