Wie klimafreundlich sind Elektrofahrzeuge wirklich? Über diese Frage streiten sich selbst die klügsten Köpfe. Während die einen der Ansicht sind, dass die Produktion von Batterien für E-Autos die Umwelt massiv verschmutzt, betont die Gegenseite, dass Stromer auf die gesamte Nutzungsdauer bezogen im Vergleich mit Benzin- und Dieselfahrzeugen deutlich umweltfreundlicher sind. In Zusammenarbeit mit der ESA² GmbH brachte das Fraunhofer-Institut mit einer Studie Licht ins Dunkel. Denn bezüglich der Klimabilanz Ihres Elektroautos ist entscheidend, welchen Strommix Sie nutzen.
Das Elektroauto – der Grundpfeiler der Energiewende
Der Umstieg von Benzin- und Dieselfahrzeugen auf Elektrofahrzeuge gilt als das Fundament zu Erreichung der klimapolitischen Ziele in Deutschland. So ist es kein Wunder, dass die Bundesregierung den Verkauf von Stromern stark subventioniert. In der Folge schießen die Verkaufszahlen von Elektroautos regelrecht in die Höhe. Bereits im November letzten Jahres waren rund 20 % der neu zugelassenen Autos mit einem batterieelektrischen Antrieb ausgestattet. Dieser Wert wird sich in den nächsten Jahren mutmaßlich weiter erhöhen, da die Hersteller ihre Produktpalette immer weiter ausbauen, das Laden einfacher wird und das Umweltbewusstsein der deutschen Bevölkerung stetig wächst.
Wie klimafreundlich ist das Elektroauto wirklich?
Die Klimabilanz von Ihrem Elektroauto hängt maßgeblich davon ab, welchen Strommix Sie für das Laden verwenden. Dabei gilt: Je größer der Anteil von Ökostrom, desto besser die Umweltbilanz. Über die durchschnittliche Nutzungsdauer von 13 Jahren gesehen, entlasten Sie die Umwelt beim Kauf von einem Elektroauto, da Sie verglichen mit einem herkömmlichen Pkw, signifikant Treibhausgas(THG)-Emissionen einsparen.
In der Gegenüberstellung mit einem modernen Dieselfahrzeug beläuft sich die Einsparung auf 28 % und gegenüber einem kleinen Benziner auf 42 %. Die THG-Emissionen lassen sich weiter verringern. Die obigen Werte basieren auf den durchschnittlichen Treibhausgas-Emissionen des deutschen Stromnetzes. Das bedeutet, wenn Sie Ihr Elektroauto mit 100 % Ökostrom laden, schlagen Sie diese Einsparung noch einmal deutlich. Bei einer kompletten Versorgung Ihres Elektroautos mit erneuerbaren Energien sind die THG-Emissionen 65 bis 75 % geringer als die eines Diesel- beziehungsweise Benzinfahrzeugs.
Diesen Umstand kennt auch die Europäische Kommission. In einem Bericht aus dem Jahr 2020 verdeutlicht sie die Wichtigkeit von Ökostrom beim Laden von Elektrofahrzeugen. Die Kommission verglich den CO2-Fußabdruck von Stromern mit dem traditioneller Verbrenner. Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, dass Länder mit einem beträchtlichen Anteil an erneuerbaren Energien im Stromnetz hinsichtlich der CO2-Bilanz deutlich besser abschneiden als Länder, in denen Kohlekraftwerke die Basis der Stromproduktion bilden. Daher ist es umso wichtiger herauszufinden, wie die Deutschen ihr Elektroauto laden. Unter Nutzung des nationalen Strommixes oder zu Hause mit separatem Ökostromvertrag?
Fraunhofer-Studie zum Thema laden von E-Autos in Deutschland
Ausgehend von der oben genannten Frage analysierte das Fraunhofer-Institut im Rahmen einer Studie, wie hoch der Anteil von Elektrofahrzeugnutzern ist, die ihr Fahrzeug mit erneuerbaren Energien laden und zu diesem Zweck Ökostromverträge abschlossen. In einem zweiten Schritt fand die Fraunhofer-Studie heraus, wie ökologisch anspruchsvoll die Stromverträge sind.
Um die angestrebten Erkenntnisse zu erhalten, führte das Institut eine Umfrage unter Elektroauto-Nutzern durch. Die Befragten wurden über eine Vielzahl an Wegen rekrutiert. Beispielsweise über Newsletter, Verbände, Zeitschriften und Online-Foren. Im Rahmen der Studie war von besonderer Bedeutung, wo die Partizipanten ihr Elektroauto laden und ob sie diesbezüglich einen Ökostromvertrag abgeschlossen haben.
867 Fragebögen aus dem gesamten Bundesgebiet kamen in Rücklauf. Allerdings ist zu beachten, dass die Stichprobe vornehmlich aus männlichen (89%) und gebildeten Teilnehmern (59%) mit Hochschulabschluss bestand. Da zudem die Grundgesamtheit der Elektroauto-Nutzer hierzulande unbekannt ist, ist die Fraunhofer-Studie nicht repräsentativ.
59 % aller Ladevorgänge finden zu Hause statt
Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass die meisten Ladevorgänge zu Hause stattfinden. Lediglich 14 % erfolgen an öffentlichen Normalladepunkten und 12 % an öffentlichen Schnellladepunkten. 14 % der Befragten gaben an, dass sie vornehmlich am Arbeitsplatz laden.
Diese Werte passen in das Bild, welches bereits zuvor andere Studien gezeichnet haben. Das Laden zu Hause ist mit Abstand der beliebteste Ladeort. Dennoch können die 59 % nicht darüber hinwegtäuschen, dass der EU-Durchschnitt bei 64 % und damit 5 % höher liegt. Ferner ist anzumerken, dass die Prozentsätze die Anzahl der Ladevorgänge und nicht die Lademenge widerspiegeln.
Fraunhofer-Studie: 84 % nutzen Ökostrom
Die Frage, ob für das Laden des Stromers zu 100 % erneuerbare Energie verwendet werden, beantworteten 697 Teilnehmer. Der Rest zog es vor, entweder nicht zu antworten oder kannte die genauen Konditionen des Stromtarifs nicht. Die Studie ergab, dass 84 % der 697 Befragten angaben, auf Ökostrom zu setzen. Doch was ist Ökostrom eigentlich?
Das Fraunhofer-Institut griff diesbezüglich auf die Definition der Bundesnetzagentur zurück. Demnach handelt es sich bei Ökostrom um einen Stromtarif, „der aufgrund von Ökostromlabeln oder Stromkennzeichnung als Stromtarif“ mit besonderer Bedeutung hinsichtlich der Förderung regenerativer Energien ausgewiesen und zu einem speziellen Tarif veräußert wird.
Laut den Angaben aus dem Monitoringbericht Ökostrom der Bundesnetzagentur verfügten 2020 30 % der deutschen Haushalte über einen Ökostromvertrag. Somit lässt sich festhalten, dass der Anteil von Elektroauto-Nutzern, die einen Ökostromvertrag haben, erheblich über dem entsprechenden Anteil aller deutschen Haushalte liegt. Wie lässt sich diese Zahl erklären? Sind Personen, die regelmäßig ein Elektroauto nutzen, besonders umweltbewusst?
Fraunhofer-Studie: 96 % der Teilnehmer gaben an, besonders umweltbewusst zu sein
Sicherlich hat die staatliche Förderung von Wallboxen einen großen Einfluss auf die hohe Zahl von Ökostromverträgen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau bezuschusste bis Ende 2021 die benannten Wallboxen nämlich nur dann, wenn der für den Ladevorgang erforderliche Strom komplett aus erneuerbaren Energien stammt. Diese Pflicht bestand für das erste Jahr des Ladepunktbetriebes. Da aus anderweitigen Studien jedoch bekannt ist, dass die meisten Menschen ihren Stromtarif so gut wie nie nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit auflösen, ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Haushalte auch nach Ablauf der Zweckbindung beim bisherigen Anbieter bleibt.
Ein weiterer Erklärungsansatz für die hohe Prävalenz von erneuerbaren Energien ist das Umweltbewusstsein von Elektroauto-Nutzern. So gaben 96 % der im Rahmen der Fraunhofer-Studie Befragten an, dass ihnen Umweltschutz ziemlich oder sehr wichtig ist. Untermauert wird diese Einstellung durch den Fakt, dass bereits 2017 48 % der Elektroauto-Nutzer über eine Fotovoltaik-Anlage verfügten, während es in der Gesamtbevölkerung lediglich 4 % waren.
89 % entschieden sich aufgrund des Umweltvorteils für ein Elektroauto
Ferner erklärten 89 % der Teilnehmer an, dass sie sich aufgrund des Klima- beziehungsweise Umweltvorteils für ein Elektroauto entschieden. Die innovative Technologie von Stromern führten 68 % als maßgeblichen Grund an, die Kraftstoffersparnis war für 53 % und der Steuervorteil für 35 % der entscheidende Punkt. Dass die Umwelt und das Klima bei der Auswahl des Fahrzeugs die entscheidende Rolle spielen, wird zudem dadurch gestützt, dass 71 % der Befragten in der Fraunhofer-Studie angaben, mit dem Erwerb des Elektroautos ein Benzin- oder Dieselfahrzeug abzuschaffen.
Wie hoch ist der Anteil von Ökostrom am Arbeitsplatz?
Für die Autoren der Studie war von weiterem Interesse, wie hoch der Anteil von Ökostromverträgen beim Laden am Arbeitsplatz ist. Zu diesem Zweck wurden 94 Fuhrparkleiter befragt. 81 % von ihnen gaben an, für das Laden von Elektrofahrzeugen am Arbeitsplatz auf 100 % erneuerbare Energien zurückzugreifen. Somit ist die Quote mit der der privaten Haushalte vergleichbar. Da an der Arbeitsstätte jedoch relativ gesehen selten geladen wird, ist der private Stromtarif für das Ausmaß der Treibhausgasemissionen deutlich wichtiger.
Fraunhofer-Studie: Großes Unwissen bei Ökostromverträgen
Gegenwärtig existieren verschiedene Arten von Ökostrom. Es kann sich dabei um einen Tarif handeln, der ausnahmslos auf Herkunftsnachweise setzt. Darunter versteht man Zertifikatsnachweise, die unabhängig von der tatsächlichen Stromlieferung sind. Das bedeutet, Sie als Kunde zahlen Ökostrom, unterstützen damit jedoch nicht die zusätzliche Produktion von Ökostrom. Dies hat mit dem Umstand zu tun, dass der Strom durch den Erwerb von Herkunftsnachweisen aus bestehenden Anlage gekauft wird. Der Klimanutzen ist gering, da keine Produktionsstätten für erneuerbare Energien aufgebaut werden. Die in Deutschland verwendeten Herkunftsnachweise stammen vor allem aus norwegischer Wasserkraft.
Ökostrom mit hohen ökologischen Anforderungen hingegen setzt auf externe Zertifizierungen. Diese erfolgen von unabhängigen Institutionen. Die Kriterien sind unterschiedlich, aber streng. Beispielsweise gibt es Labels, die vorschreiben, dass ausnahmslos erneuerbare Energien-Anlagen ohne staatliche Förderung mit geografischem beziehungsweise zeitlichem Bezug zum Abnahmeort Verwendung finden dürfen.
23 % der Teilnehmer der Fraunhofer-Studie äußerten, einen Ökostromvertrag mit Ökostromlabel zu nutzen. Demgegenüber antworteten 41 % der Befragten, dass sie es nicht wüssten und weitere 34 % konnten keine Angaben machen.
Bei den verwendeten Labels handelt es sich in 42 % der Fälle um ein vom TÜV ausgestelltes und in 20 beziehungsweise 19 % um ein Grüner-Strom-Label respektive ok-Power-Siegel.
Fazit: Die zukünftige Entwicklung des Anteils von Ökostrom an den Ladevorgängen ist offen
Die Studie des Fraunhofer-Instituts ergab, dass das Laden zu Hause klar dominiert. Darüber hinaus haben 84 % der Elektroauto-Nutzer einen Vertrag mit Ökostrom. Dieser Wert liegt deutlich über dem Bundesschnitt. Zu erklären ist dies unter anderem mit staatlicher Förderung und dem hohen Umweltbewusstsein von Personen, die ein Elektroauto fahren. Selbst beim Laden am Arbeitsplatz dominiert Ökostrom.
Hinsichtlich der ökologischen Ansprüche bestehen jedoch große Unsicherheiten. Nur wenige Teilnehmer wissen, ob ihr Stromvertrag auf Herkunftsnachweisen basiert oder ob der Tarif unabhängig zertifiziert wurde.
Offen bleibt die Frage, ob der Ökostromanteil zukünftig steigen oder fallen wird. Beides ist möglich. Mit steigender Verbreitung von Elektrofahrzeugen greifen immer mehr Personen auf diese zurück, die keine Möglichkeit haben, eine Fotovoltaik-Anlage zu nutzen. Die Optionen, mit Ökostrom zu laden, sind begrenzt. Andererseits kann es passieren, dass das Umweltbewusstsein weiter steigt und erneuerbare Energien zur sozialen Norm werden.