Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat die vorläufige Referentenversion vom Masterplan Ladeinfrastruktur II öffentlich gemacht. Hier erfahren Sie nicht nur grob, was drinsteht, sondern auch, was der Verband der Automobilindustrie (VDA) in seinem Positionspapier zum Masterplan Ladeinfrastruktur II empfohlen hat, wie der Stand aktuell ist und wie realistisch daher die Umsetzung des Plans ist.
Was empfiehlt der VDA bezüglich in Hinblick auf den Masterplan Ladeinfrastruktur II?
Als Kernproblem beim Ausbau der Elektromobilität in Deutschland sieht der VDA keineswegs den Unwillen der deutschen Autofahrer, die auf einem Verbrenner beharren würden, sondern die Sorge der Autofahrer, nicht ausreichend mit Ladestationen versorgt zu sein und das ist eine berechtigte Sorge. In Deutschland kommen aktuell 1.014 PKW auf einen Ladepunkt, womit die Bundesrepublik hinter dem europäischen Durchschnitt und im Ranking auf Platz 12 liegt. Damit die Diskrepanz zwischen zugelassenen Elektroautos und Ladestationen aufgelöst werden kann, müsse laut VDA die Geschwindigkeit des Ausbaus der Ladeinfrastruktur proportional verlaufen zum Wachstum der Elektromobilität. Um das Vertrauen der Verbraucher in die Ladeinfrastruktur sicher zustellen, müsse ihr Ausbau ferner dem absehbaren Bedarf um zwei Jahre vorauseilen.
Denn bislang ist das immer noch das häufigste Argument vieler Autofahrer, warum sie kein Elektroauto fahren: keine ausreichende Versorgung mit Ladestationen.
Andere Kritikpunkte, an denen ebenfalls gearbeitet werden muss, sind die Stromquellen für die Versorgung der Ladestationen und die Gewinnung der Rohstoffe für die Akkus. Auch der VDA führt an, der Strom für die deutsche Elektromobilität müsse Ökostrom sein. Die Empfehlung des VDA zum Masterplan Ladeinfrastruktur II kam übrigens etwa einen Monat bevor der Bundesminister für Wirtschaft, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), gezwungen war, einen Handel mit Katar zu arrangieren, um eine Versorgung mit fossilen Brennstoffen ohne Abhängigkeit von Putins Russland sicherzustellen.
Weitere Empfehlungen des VDA für den Masterplan Ladeinfrastruktur II und den Ausbau der Elektromobilität sind etwa die Weiterführung der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur (NLL), der man das Mandat für die Gesamtkoordination der Elektromobilität in Deutschland übertragen sollte. Aber der Staat muss auch Gelder in die Hand nehmen. Laut VDA sollte der Masterplan Ladeinfrastruktur II Förderprogramme beinhalten, die dann sowohl den gewerblichen Bereich selbst als auch den Arbeitsplatz sowie das Zuhause der Autofahrer sicher mit ausreichend Ladestationen abdecken. Letzteres würde auch die Neuauflage des Wallboxen-Programms beinhalten, das private Ladepunkte daheim fördert. Insgesamt müsste einfach eine flächendeckende Abdeckung mit ausreichend Ladepunkten her.
Der VDA rät auch an, es müsse einen „Ladegipfel“ geben, bei dem alle Verantwortlichen sich in regelmäßigen Abständen umfassend austauschen. Dabei müsse man dann auch die EU mit ins Boot holen und die Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR) unterstützen. Die Verantwortung der Kommunen sollte im Masterplan Ladeinfrastruktur II rechtlich verankert werden. Man dürfe die Kommunen und andere, die die Pläne im Masterplan Ladeinfrastruktur II in die Tat umsetzen, aber auch nicht damit alleine lassen, sondern müsse Steuer- und Beratungsstellen einrichten.
Was steht denn nun drin im Masterplan Ladeinfrastruktur II?
Der erste Masterplan Ladeinfrastruktur entstand 2019 unter der schwarz-roten Bundesregierung von Angela Merkel. Bundesverkehrsminister war damals Andreas Scheuer (CSU). Das war vor der Pandemie, die dem Ausbau der Elektromobilität das Corona-Konjunkturpaket schenkte, das einen Umweltbonus und eine Innovationsprämie beinhaltete und so die Nachfrage nach Elektroautos erhöhte. Nun haben wir die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, das nun den Masterplan Ladeinfrastruktur II entwickelt hat, ist allerdings in den Händen der FDP und deren Minister Volker Wissing. Das bedeutet, dass wirtschaftliche Interessen eine gewichtige Rolle spielen, zumal das Finanzministerium, welches den Referentenentwurf in der Ressortabstimmung mittragen muss, mit Christian Lindner auch einen liberalen Minister an seiner Spitze hat. So ist etwa ein stärkerer Austausch der Regierung mit den Ladepunktbetreibern (CPO), also den Unternehmen, ein ganz zentraler Punkt des Referentenentwurfs des Masterplans 2.0.
Der Masterplan Ladeinfrastruktur II liest sich in seiner aktuellen Form aber mehr wie eine Absichtserklärung und nicht wie ein fester Fahrplan. Die FDP hat schon durchblicken lassen, dass sie die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ziele, welche im Masterplan Ladeinfrastruktur II wiederholt Erwähnung finden, nicht so verbindlich sieht wie SPD und Grüne. Welche beiden Ziele das sind?
Es sind die Absichtserklärungen, im Jahr 2030 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen zu haben und dass dafür eine Million öffentlich zugänglicher Ladepunkte in der Bundesrepublik Deutschland existieren sollen.
Gute Nachrichten für die Elektromobilität? Wären es, wenn diese Ziele in Anbetracht der aktuellen Lage und deren Vorgeschichte nicht recht utopisch klingen würden. Aktuell verfügt Deutschland nämlich nur über ~47.000 Ladepunkte, also weniger als ein Zwanzigstel dessen, was man in den nächsten acht Jahren realisieren will. Bei den vielen Lippenbekenntnissen, die in den letzten Jahren zu Elektromobilität und erneuerbaren Energien kamen, ist eine gewisse Skepsis wohl angebracht. Zumal niemand weiß, wer ab Herbst 2025 die Regierung stellt. Ungeachtet sonstiger politischer Ideologien ist es nun einmal so, dass Klimaschutz und somit auch Elektromobilität eher Prioritäten der Parteien des linken Spektrums sind, wohingegen Union und FDP die Wirtschaft priorisieren und die AfD den Klimawandel leugnet.
Der Masterplan Ladeinfrastruktur II greift aber durchaus Empfehlungen des VDA auf und teilt die Einschätzung, dass man Elektromobilität attraktiver machen muss, indem man die Ladeinfrastruktur flächendeckend so ausbaut, dass jeder ohne große Umwege Zugang zu öffentlichen Ladepunkten hat und dass auch daheim und bei der Arbeit Lademöglichkeiten geschaffen werden müssen. Der Bund will darüber hinaus betrieblich genutzte Flottenfahrzeuge, also LKW und andere schwere Nutzfahrzeuge wie Busse (auch im Fernverkehr) durch eine flächendeckende Ladeinfrastruktur auf Elektromobilität umstellen. Neben dem Nutzerfokus auf die Ladeorte soll auch das Ladeerlebnis eine Verbesserung erfahren. Kurzum: Das Laden soll so mühelos in die Alltagsabläufe integriert werden können wie aktuell das Tanken an der Zapfsäule. Der dritte Schwerpunkt, den der Masterplan Ladeinfrastruktur II zum Ausbau der Elektromobilität setzt, ist der Fokus auf Flächenabdeckung und Versorgung der Betriebe.
Diese drei Ebenen sollen dann mit der Digitalisierung verknüpft werden. Wer bedenkt, dass bei uns in einigen Polizeidienststellen die Berichte noch auf Schreibmaschine abgefasst werden, dürfte spätestens jetzt seine Zweifel bekommen und die Pläne des Verkehrsministeriums mit Vorsicht genießen. Überaus positiv ist aus Sicht der Befürworter der Elektromobilität aber zu sehen, dass man den Betreibern der Ladepunkte deren Einrichtung erleichtern will, indem man komplizierte Genehmigungsverfahren vermeidet.
Wie soll die Umsetzung in der Praxis aussehen?
Wissing möchte eine von seinem Ministerium geleitete „interministerielle Arbeitsgruppe“, die die Umsetzung leitet und mit der NLL koordiniert. Die NLL soll also weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Es soll auch eine verbesserte Version des StandortTOOLs entwickelt werden – bis spätestens Mitte 2023. Dies soll dann den Bedarf insbesondere in dicht besiedelten Gebieten analysieren, worin wieder die Gefahr zu stecken scheint, dass ländliche Gebiete bei der Elektromobilität wie schon beim Öffentlichen Personennahverkehr und der Digitalisierung in die Röhre gucken könnten. Der Bund will auch prüfen, welche Flächen er selbst für Stromnetzausbau und Ladepunkte zur Verfügung stellen kann, um den Prozess als solches ein wenig zu entbürokratisieren. Auch die vom VDA vorgeschlagene stärkere Einbindung der Kommunen greift das BMDV auf.
Der Bund möchte die Ladeinfrastruktur nicht nur mit Investitionszuschüssen subventionieren, sondern auch ganz klassische Ausschreibungen machen. Kritisch gesehen wird – und das wohl von gleich zwei Seiten -, dass das Bundesministerium für Digitales und Verkehr selbst aktiv eingreifen will, wenn „die Konzessionäre [den] Bedarf nicht selbstständig und verlässlich nach den Vorgaben des [Ministeriums] errichten“. Befürworter des Kapitalismus, der Marktwirtschaft und somit das Klientel der FDP kritisieren dies als Planwirtschaft. Andere, die eher aus der politischen Linken kommen, wären vermutlich froh, wenn man etwas so Wichtiges wie die Elektromobilität gar nicht erst in die Hände des Marktes legen, sondern komplett staatlich regeln würde. Es ist gewiss eine Gratwanderung für den Bund zwischen Planung und deren Erfüllung und der Einhaltung marktwirtschaftlicher Prinzipien.
Die ebenfalls geplanten neuen Fristen beim Netzanschluss von Mittel- und Niederspannung liegen anders als die meisten Aspekte der Umsetzung des Masterplans 2.0 beim Bundesministerium für Wirtschaft, das von Robert Habeck geleitet wird. Dieses ist auch verantwortlich für die Ertüchtigung der Messtechnik und die Regelungen des bidirektionalen und netzdienlichen Ladens. Die vom VDA angeregte Neuauflage der Wallboxen greift der Bund übrigens auf.
Fazit:
Die Bundesregierung legt mit dem Masterplan Ladeinfrastruktur II durchaus ambitionierte Ziele vor, was in den nächsten Jahren für den Ausbau der Elektromobilität getan werden soll. Besonders der Bau von über 950.000 Ladestationen binnen der nächsten acht Jahre ist ein lobenswertes Vorhaben, aber auch eines, dessen wirkliche Umsetzung aus heutiger Sicht zweifelhaft erscheint. Wie so oft sind diese Absichtserklärungen also mit Vorsicht zu genießen und es wird sich zeigen, was tatsächlich und auch wie umgesetzt werden kann. Der zweite große Unsicherheitsfaktor neben der politischen Entwicklung sind nun einmal auch die Betreiber, die die Vorhaben in die Tat umsetzen sollen.