Elektroautos schnurren und sind leise. Die Lärmemission der E-Autos liegt deutlich unter der von Verbrennern. Was einerseits gut für den Geräuschpegel in Städten oder in der fragilen Natur ist, kann im Straßenverkehr dann problematisch sein, wenn Fußgänger und Radfahrer nicht mehr schauen, sondern sich zum Großteil auf ihr Gehör verlassen. So können Unfälle entstehen. Ab 1. Juli 2021 müssen E-Autos nun lauter sein. Dass dabei nicht die Geräusche von Motoren imitiert werden müssen, zeigt die Kreativität der Autobauer und ihrer Komponisten.
AVAS – der neue akustische Soundgenerator
Ab dem 1. Juli 2021 müssen alle neu zugelassenen E-Autos über künstliche Warntöne verfügen. Der Grund, bei Geschwindigkeiten unter 20 km/h ist das Reifengeräusch so leise und der E-Motor erzeugt ohnehin keine, dass andere Verkehrsteilnehmer akustisch nichts wahrnehmen. Die Signaltöne sind nun also bei Geschwindigkeiten unter 20 km/h und für das Fahren im Rückwärtsgang verpflichtend.
Der so erzeugte akustische E-Auto-Rahmen nennt sich AVAS – Acoustic Vehicle Alerting System. Dieses System muss in der Lage sein, Geräusche zwischen 56 und 75 Dezibel für Fußgänger und Fahrradfahrer hörbar abzugeben. Auch E-Automodelle, die vor 2019 entwickelt wurden, sind nun mit AVAS auszustatten.
Die Verordnung 540, die dies alles regelt, hat die EU bereits 2014 beschlossen. Bis Mitte 2021 wurde immer wieder angepasst und nun ist die Schonfrist vorüber. E-Autos ohne ein Geräusch erzeugendes AVAS müssen nicht nachgerüstet werden.
Gesetzestext gibt Regeln klar vor
Der Gesetzestext lässt wenig Spielraum für Kreativität. Das Geräusch des Systems muss zum einen langsam ansteigen, zum anderen dem eines Verbrenners der gleichen Bauart im besten Fall sehr ähnlich sein. Dezidiert verboten hat die EU in diesem Zusammenhang abstrakte Soundeffekte, Musikstücke sowie Geräusche aus der Natur. Sogar der Frequenzbereich wurde festgelegt. Soundtechnisch gesprochen muss das Geräusch zwischen zwei Terzbändern liegen und unter 1.600 Hertz.
Vor allem ältere Menschen und Schwerhörige können diese so determinierten Töne erheblich besser wahrnehmen. Der Ton darf nicht manuell unterbrechbar sein und muss sofort beim Autostart erklingen. Erhöht sich die Geschwindigkeit, ist es für AVAS auch rechtlich möglich, die Töne leiser werden zu lassen. Das ist deswegen erlaubt, weil das Abrollgeräusch der Reifen dann stärker wahrnehmbar ist.
Kreativität „Made in Germany“ aus Hollywood
Da die Grenzen eng gesteckt sind, lassen es sich die Autohersteller nicht nehmen, diese unter anderem von namhaften Komponisten akustisch ausloten zu lassen. Das individuelle Herstellerfahrgeräusch wird so vermutlich zu einem Markenkennzeichen. VW wünscht sich, dass der neue ID 3 „modern, zukunftsgerichtet und stylisch“ klingen soll. Diesen Sound soll Leslie Mandoki zaubern. Bekannt wurde er durch die Band Dschingis Khan, die in den 1970 und 1980 ihre Hochzeit feierte.
VW-Tochter Audi engagiert im Gegensatz dazu einen musikalisch höchst begabten Ingenieur. Rudi Halbmeir, so sein Name, spielt sage und schreibe sieben Instrumente. Die heimische Konkurrenz aus München holt sich Hans Zimmer. Der deutsche Oscar-Gewinner (König der Löwen) designt die Geräusche des BMW-SUV iX und der BMW-Limousine i4.
Tontechnisch gilt bei Mercedes „Oldies but Goldies“. Das Geräusch wird nicht neu sein, es wird sich an den Verbrennern orientieren. AMG hingegen bittet die Band Linkin Park um ein Soundkonzept.