2030 soll es kommen, das Aus für den Verbrenner in Deutschland. Dann baut das Autoland Deutschland, das sich noch immer eisern gegen ein Tempolimit wehrt, planmäßig nur noch Elektroautos. Aber mit solchen Plänen ist es immer so eine Sache. Die Energiewende wird seit Jahren immer wieder aufs Neue verschoben. Das fällt uns nun auf die Füße. Denn obwohl Solarenergie und Windkraft seit Jahren eine echte Alternative darstellen, haben wir es nicht geschafft, rechtzeitig umzusatteln.
Niemand weiß, wer 2030 an der Regierung ist. Eine wirtschaftsnahe Koalition aus Union und FDP könnte die aktuellen Pläne wieder kippen. Aber der Klimawandel ist ein globales Problem und auch wenn wir nur Einfluss auf die Entscheidungen in unserem eigenen Land haben, stellt sich doch die Frage, was andere Länder in Sachen Elektromobilität planen und auch wie aktuell der Stand bei der Ladeinfrastruktur aussieht.
Wie ist es aktuell um die Ladeinfrastruktur bestellt?
Bevor man sich mit Absichten und Prognosen befasst, sollte man erst einmal den Status quo betrachten. Im Juni 2021 veröffentlichte der Verband der Automobilindustrie (VDA) eine Studie, in der er die Ladeinfrastruktur in 31 Staaten Europas verglich. So sollte herausgearbeitet werden, wie attraktiv es aktuell für Autofahrer wäre, vom Verbrenner auf das Elektroauto umzusatteln bzw. wie gut Menschen, die schon Elektroauto fahren, mit Ladestationen versorgt sind.
Maßstab dabei war nicht die absolute Anzahl an Ladestationen oder die Relation von Ladestationen zur Bevölkerungsanzahl, Fläche oder Bevölkerungsdichte, sondern das Verhältnis von angemeldeten PKW (Verbrenner und Elektroauto) zu Ladepunkten. Auch das ist gewiss nicht die optimale Messlatte, weiß man doch nicht, wie viele Personen ganz auf ein Auto verzichten, weil der Ausbau der Elektromobilität so schlecht ist. Und um eines vorwegzusagen: Das ist er.
Laut Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, ist „eine europaweite Ladeinfrastruktur […] derzeit nicht vorhanden, der flächendeckende Ausbau liegt leider in weiter Ferne.“
Es ist nicht verwunderlich, dass viele Menschen – gerade in ländlichen Gebieten – eher auf den Verbrenner setzen als auf das Elektroauto, wenn die Infrastruktur für einen Wechsel zur Elektromobilität nicht gegeben ist. Die Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr lässt abseits der Städte noch mehr zu wünschen übrig, als er es schon in den Städten tut. Allerdings sind es gerade die wenig verstädterten Staaten, die bei der Ladeinfrastruktur noch einigermaßen gut abschnitten.
Spitzenreiter der VDA-Studie sind die Niederlande, dicht gefolgt von Norwegen. In den Niederlanden kommen 109 PKW auf einen Ladepunkt. Der Schnitt ergibt sich daraus, dass es 82.263 Ladepunkte und 8.938.572 zugelassene PKW gibt. In Deutschland sind es hingegen 1.014 PKW pro Ladepunkt, womit die Bundesrepublik in Sachen Elektromobilität aktuell nicht einmal europäischer Durchschnitt ist, denn der läge bei 887 PKW pro Ladepunkt. Doch damit liegt Deutschland trotzdem noch auf Platz 12 von 31 und damit dennoch hinter Island und Finnland, die anders als die Niederlande eine sehr geringe Bevölkerungsdichte haben. In Island leben weniger Menschen als in Bochum.
Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass es zwar schön ist, Pläne bezüglich der Elektromobilität zu machen, die aber zum Scheitern verurteilt sind, wenn es an Grundlagen mangelt.
Wenn man das Aus für den Verbrenner im Jahr 2030 beschließt und alle Neuwagen von da an ein Elektroauto sein sollen, es aber acht Jahre vorher noch ~14.000 Tankstellen mit mehreren Zapfsäulen und einer Tankdauer von wenigen Minuten gibt, während nur ~47.000 Ladepunkte existieren, wobei das Laden viel Zeit in Anspruch nimmt und einen längst nicht so weit fahren lässt, dann ist das altbekannte „Wir würden ja gern, aber die Voraussetzungen bestehen nicht…“ seitens der Politik schon absehbar.
Und wie Hildegard Müller auch richtig feststellt: Ladestationen sind schön und gut, wenn der Strom, der da rauskommt, aber aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird und kein Ökostrom ist, wird das Problem nur verlagert. Ein Elektroauto, dessen Strom kein Ökostrom ist, ist nicht viel besser als der klassische Verbrenner.
Und wie sieht es in der größten Industrienation der Welt aus, den USA? Hier gestaltet sich der Wechsel zur Elektromobilität ungleich schwieriger, ist das Land doch viel weitläufiger, dünner besiedelt. Wir alle kennen die kilometerlangen Highways durch praktisch unbesiedeltes Gelände aus amerikanischen Filmen und Serien. Aktuell ist vor allem die Westküste gut versorgt, also Kalifornien, Oregon und Washington. Aber die USA rüsten nach.
Was planen die USA, um den Wechsel zur Elektromobilität sicherzustellen?
Die USA haben kürzlich ein Gesetz beschlossen, das den Ausbau der Elektromobilität sichtbar voranbringen soll. Wenn die Staaten sich weg vom Verbrenner und hin zum Elektroauto bewegen, hat das natürlich Vorbildfunktion für den übrigen Westen, die Elektromobilität ebenfalls auszubauen. Was plant die Regierung Biden also konkret zum Ausbau der Elektromobilität?
Das Verkehrs- und Energieministerium möchte verteilt über die nächsten fünf Jahre (Obacht: Präsidentschaftswahlen sind in den USA alle vier Jahre und Biden ist seit Januar 2021 im Amt) 5 Milliarden US-Dollar (umgerechnet aktuell etwa 4,4 Milliarden Euro) für den Ausbau der Elektromobilität bereitstellen, in der Hoffnung, dass dann mehr US-Amerikaner vom Verbrenner zum Elektroauto wechseln.
Im Detail sollen die Geldmittel den Staaten bei der Verstärkung der Ladeinfrastruktur helfen. Dies betrifft insbesondere die Schnellladestationen entlang der Highways, denn wer mit dem Elektroauto weite Strecken zurücklegen will, dürfte in den Staaten aktuell arge Probleme haben und folglich auf den klassischen Verbrenner angewiesen sein, denn Fliegen ist noch einmal um ein Vielfaches klimaschädlicher.
Für eine gerechte Verteilung der Mittel – und gerecht heißt nicht immer gleichmäßig – hat die Federal Highway Administration eine Liste erstellt, aus der hervorgeht, welche Geldmittel welcher Staat zum Ausbau der Elektromobilität beantragen kann. Aus dieser Liste geht etwa hervor, dass Texas mit 60 Millionen US-Dollar etwa ein Sechstel der gesamten Geldmittel für 2022, 615 Millionen US-Dollar, zustehen. Ja, der Öl-Staat Texas, der abgesehen von Michigan in der Vergangenheit wohl am meisten vom Verbrenner profitiert haben dürfte. Ausgerechnet Kalifornien, wo die Ladeinfrastruktur im Verhältnis noch recht gut ist, stehen 56 Millionen zu. Idaho im Vergleich nur 4,4 Millionen. Nevada, das nun wahrlich primär aus Wüste besteht, sollen auch nur 5,6 Millionen Dollar zukommen, um das Elektroauto attraktiver zu machen.
Allerdings ist da auch noch das Paket für die National Electric Vehicle Infrastructure oder kurz NEVI, das im November 2021 verabschiedet wurde und 7,5 Milliarden US-Dollar für den Ausbau der Ladeinfrastruktur vorsieht.
Die Amerikaner wären natürlich nicht die Amerikaner, wenn Verkehrsminister Pete Buttigieg in diesem Zusammenhang nicht davon spräche, man müsse „das Rennen“ in puncto Elektromobilität „gewinnen“. Den Planeten retten, ist schön, Erster sein, ist schöner.
Wem dürfte das Ja zum Elektroauto und das Aus für den Verbrenner in den Staaten zugutekommen? Deutschland, denn wir sind schließlich Exportweltmeister, was wie so oft heißt, dass wir für andere Staaten wegweisende Dinge entwickeln, während wir selbst… nun ja… mal versucht, einer deutschen Behörde eine E-Mail zu schicken?
Dabei wollen die Deutschen das Elektroauto. Bei uns sind 2021 mehr neue E-Autos zugelassen worden als in den USA. Doch obwohl bei uns aktuell die Grünen in der Regierung sitzen, tut sich wenig. Absichtsbekundungen, den Verbrenner 2030 auslaufen zu lassen, ja, aber Subventionen für die Infrastruktur, nein. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass ausgerechnet die von Joe Biden kritisierte Volksrepublik China in Sachen Elektroauto aktuell im weltweiten Vergleich vorne liegt. Man kann am angeblich sozialistischen und längst überaus kapitalistischen China viel kritisieren, aber bei der Elektromobilität lässt es den Westen alt aussehen.
Und was machen die Entwicklungsländer für die Elektromobilität?
Aus Chile heißt es, man wolle 2045 das Aus für den Verbrenner. 15 Jahre später erst? Was in Deutschland jedoch heißt, dass man keine Autos mit Verbrenner mehr herstellen will, bedeutet in Chile, dass sich keine mehr auf den Straßen befinden sollen. Ab 2035 will man hier binnen 10 Jahren schrittweise komplett aufs Elektroauto umstellen.
Also auch in Chile gilt, dass jedes Auto, das vom Werkband läuft, aber auch jedes neuzugelassene ein Elektroauto sein wird. Busse und Taxis in den Städten und Schwermaschinen sollen sogar bis 2035 auf Elektromobilität umgestellt sein. Danach soll schrittweise auch der Fernverkehr und Güterverkehr folgen. Landwirtschaftliche Maschinen möchte man bis 2040 auf emissionsfreien Antrieb umgestellt haben. Es ist eine Sache, wenn Biden aus den USA oder Xi aus China Deutschland abhängt, aber Chile? Ja, die Bundesrepublik hat das frühere Datum, aber weit weniger ambitionierte Ziele.
Das Fazit:
Das wirklich Ernüchternde bei der Umstellung vom Verbrenner zum Elektroauto im weltweiten Vergleich ist nicht einmal das Deutschland nur im oberen Mittelfeld mitschwimmt, sondern dass die Umstellung auf Elektromobilität nur schleppend vorangeht und sich aus klimapolitischer Sicht auf einem erschreckenden aktuellen Stand befindet. Die Absichtserklärungen bezüglich des Kohleausstiegs, der Energiewende, dem Abschalten der Atomkraftwerke und eben auch der Elektromobilität, die so oft nicht eingehalten und aufgeschoben wurden – und zwar international – lassen schon zweifeln, ob die Politik es mit dem Versprechen eines Aus für den Verbrenner dieses Mal wirklich ernst meint. Ferner braucht es dann nur eines Regierungschefs oder Staatsoberhauptes wie Donald Trump, der das Klima für nicht so wichtig hält wie die heimische Wirtschaft, und wir stehen wieder bei null.