Die Bundesregierung verfolgt aktuell das Ziel, bis zum Jahre 2035 komplett auf Elektromobilität umzusteigen. Dazu braucht man jedoch nicht nur die Bereitschaft der Autobesitzer, auf Diesel und Benziner zu verzichten, sondern auch ausreichende Möglichkeiten, um diese Fahrzeuge mit Energie zu betanken. Dies ist vor allem bei längeren Fahrstrecken notwendig, da die Reichweite der meisten E-Autos bislang vergleichsweise gering ist. Deshalb soll es in Deutschland bis 2030 insgesamt 1 Million öffentliche Ladepunkte geben. Ob dieses Ziel jedoch auch wirklich erreicht werden kann, ist derzeit fraglich. Offensichtlich mangelt es bislang an geeigneten Flächen für den ausreichenden Ausbau der Ladeinfrastruktur im Land. In diesem Artikel wird beschrieben, welche Anforderungen für einen flächendeckenden Ausbau von Ladepunkten vorliegen müssen, wie die Kommunen und Bundesländer aktuell dazu Stellung beziehen und welche Lösungsmöglichkeiten es geben könnte.
Wie muss die Fläche für Ladesäulen beschaffen sein?
Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist ein flächendeckender Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge in Deutschland bis zum Jahr 2030. Aktuell ist allerdings nicht geklärt, was darunter genau zu verstehen ist. Ebenfalls fehlt bislang eine Bestandsaufnahme oder gezielten Maßnahmen, wie der Ausbau konkret gelingen könnte. Aktuell gab es zum 01. April 2022 50.000 Normalladepunkte sowie 8700 Schnellladepunkte. Das sind gerade mal 2000 mehr normale bzw. 200 mehr Schnellladepunkte als im März diesen Jahres. Es ist offensichtlich, dass sich die Ziele der Bundesregierung in diesem Tempo vermutlich nicht in den nächsten 8 Jahren verwirklichen lassen werden. Aber woran liegt es, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur nur so langsam vorangeht?
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, was unter einer flächendeckenden Infrastruktur zu verstehen ist, und wodurch sie sich von der bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur unterscheidet. Mit einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur ist gemeint, dass jeder Deutsche jede Strecke innerhalb des Landes mit einem Elektroauto zurücklegen kann, weil es ausreichend Ladesäulen gibt, damit die Fahrt fortgesetzt werden kann, bevor der Akku im E-Auto leer ist. Eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur hingegen stellt sicher, dass alle E-Autobesitzer die Möglichkeit haben, ihr E-Auto an einer öffentlichen Ladesäule zu betanken, wenn dies nötig wird.
Als nächstes muss geklärt werden, wie viel Fläche für die geplanten 1.000.000 Ladesäulen überhaupt zur Verfügung gestellt werden muss, um einen flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur zu ermöglichen. Eine Ladestation mit 2 Ladesäulen benötigt ca. 36 m² freie Fläche. Dabei ist der Platz für Trafostationen und Schalteinlagen noch nicht einberechnet. Diese werden gebraucht, um den Strom in der richtigen Spannungsebene an das E-Auto weiter zu geben. Aktuell werden ca. 1.000 Standorte für Ladestationen gesucht, auf denen durchschnittlich 6 bis 8 Ladesäulen platziert werden sollen. Aber wo gibt es in Deutschland genügend Flächen, die zum Laden von Elektrofahrzeugen verwendet werden können?
Wie sehen die Kommunen und Länder das Problem des Flächenmangels?
Die Aufgabe der Bereitstellung von geeigneten Flächen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur wurde von der Bundesregierung in die Verantwortlichkeit der einzelnen Bundesländer bzw. Kommunen gegeben. Das Beratungsgremium der Bundesregierung NPM AG5 ist der Auffassung, dass die Flächendeckungsphase für die Ladeinfrastruktur bis zum Jahre 2025 abgeschlossen sein wird. Als nächstes soll eine Skalierungsphase folgen, in der die einzelnen Standorte ausgebaut oder mit zusätzlichen Ladepunkten nachverdichtet werden. Außerdem besteht ein Unterschied zwischen der flächendeckenden Infrastruktur im Nah- und im Fernverkehr. Während es für den Nahverkehr ausreichend ist, wenn genügend Ladepunkte in der jeweiligen Ortschaft vorhanden sind, muss vor allem bei längeren Strecken gewährleistet sein, dass das E-Auto unterwegs nicht stehen bleibt, weil es keine Möglichkeit gibt, es rechtzeitig für die Weiterfahrt aufzuladen. Daher geht die NPM AG5 davon aus, dass für Fernstrecken ein sog. Korridor errichtet werden muss, der im Abstand von 30-50 km Ladepunkte entlang der Autobahnen und anderen Fernstraßen enthält. Im Zuge der Skalierung und Nachverdichtung soll dieser mittelfristig auf eine flächendeckende Versorgung mit Ladepunkten im Maximalabstand von 30 km ausgeweitet werden.
Von den Kommunen wird dabei erwartet, dass diese jeweils individuelle Strukturen zur Verbesserung der Ladeinfrastruktur entwickeln. Dabei sollten sie zwischen privater und öffentlicher Ladeinfrastruktur unterscheiden und sich an der Struktur, die auf Bundesebene entwickelt wird, orientieren. Bei der Finanzierung der Maßnahmen sollte die Bundesregierung die Kommunen entsprechend unterstützen, so dass diese auch sinnvoll und zeitnah umgesetzt werden können. Die Verantwortung für die Umsetzung liegt jedoch gemäß dem Subsidiaritätsprinzip bei den Kommunen selbst. Die Hälfte der Kommunen hat bislang noch keine einzige Ladestation für E-Autos. Sollte die private Wirtschaft nicht für ein entsprechendes Netzwerk sorgen, seien die Kommunen in der Pflicht, für den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu sorgen. Diese gehen mit dieser Regelung jedoch nicht einheitlich konform und kritisieren die ungleiche Verteilung der Lasten und Aufgaben bei der Neuauflage des Masterplans Ladeinfrastruktur. Sie sehen sich selbst nicht als „Tankstellenbetreiber“, die, ihrer Meinung nach, die Aufgabe hätten, für die flächendeckende Versorgung mit Ladesäulen aufzukommen. Außerdem sind sowohl der Städte- als auch der Gemeindebund nicht bereit, freie Flächen zu reservieren, auf denen die künftigen Ladesäulen errichtet werden sollen. Das „Laden am Straßenrand“ soll, so die Kommunen, möglichst vermieden werden, und stattdessen Handel und Gastronomie stärker in den Aufbau von Ladepunkten mit eingebunden werden.
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur voranzutreiben?
Während der Bund die Länder und Kommunen in der Pflicht sieht, ausreichende Flächen für die Nutzung als Ladesäulen zur Verfügung zu stellen und auch für die Umsetzung der Konzepte zum Ausbau der Ladeninfrastruktur die Verantwortung zu übernehmen, haben diese eigene Vorstellungen davon entwickelt, wie dies sinnvoll geschehen könnte. Sie sehen die Lösung darin, Ladesäulen platzsparend an Tankstellen oder vor Supermärkten aufzustellen, so dass hierfür keine weiteren Flächen reserviert werden müssten. Auch Parkhäuser bieten den Kommunen zufolge eine gute Möglichkeit, um hier Ladesäulen unterzubringen, wobei kein oder nur wenig zusätzlicher Platz benötigt wird. Darüber hinaus haben Länder und Kommunen auch die „Wirtschaftlichkeit“ der Ladeinfrastruktur im Blick und wollen Investoren zu diesem Zweck gezielt fördern.
Die Umweltverbände in Deutschland haben diesbezüglich noch einmal andere Ansichten. Sie sehen es als weitaus wichtiger an, dass genügend E-Autos bis 2030 produziert und zugelassen sein sollen. Gelingt dies nicht, ist auch die Ladeinfrastruktur nur als zweitrangig zu betrachten. Aktuell wird von der Bundesregierung mit Fördermitteln und steuerlichen Vergünstigungen versucht zu erreichen, dass sich mehr Menschen für das E-Auto entscheiden. Stattdessen sollten jedoch lieber die steuerlichen Privilegien für Dienstfahrzeuge eingeschränkt werden und die der E-Autos im Gegenzug deutlich ausgeweitet werden, so die Umweltverbände.
Fazit
Nach derzeitigem Stand geht der flächendeckende Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland, so wie er von der Bundesregierung geplant ist, nur langsam voran. Ziel ist es, dass auf Langstrecken alle 30 – 50 km eine Ladestation zur Verfügung steht. Allerdings lehnen die Kommunen die ihnen auferlegte Verantwortung für das Erreichen dieser Ziele teilweise rigoros ab. Sie sind nur bedingt bereit, die notwendigen Flächen für die Ladepunkte zu reservieren und kritisieren auch das Vorhaben, unbewirtschaftete Flächen für Ladesäulen zu nutzen. Stattdessen plädieren sie für eine stärkere Koppelung der Ladeinfrastruktur an Handel und Gastronomie und sind der Ansicht, Ladesäulen könnten platzsparend an Tankstellen oder in Parkhäusern aufgestellt werden. Dies wird jedoch nicht ausreichen, um den geplanten Korridor für Fernstrecken zu realisieren. Daher bleibt nur die Hoffnung auf private Investoren, die laut eigener Aussage von den Kommunen zu diesem Zweck gefördert werden sollen. Ob diese Maßnahmen in Zukunft erfolgversprechend für den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland sein werden, bleibt abzuwarten.