Bidirektional bedeutet einen Vorgang in zwei Richtungen zu betreiben und das ist auch im Fall des bidirektionalen Ladens der Fall. Ihr E-Auto muss natürlich aufgeladen werden können und das erfolgt durch Stromfluss aus dem Netz oder aus einer anderen Quelle wie zum Beispiel Ihrer eigenen Photovoltaik-Elemente. Die andere Richtung bezieht sich auf das Laden von anderen Verbrauchern aus der Batterie Ihres E-Autos. Das können Ihre eigenen Geräte sein, es kann sich aber auch um das gesamte Stromnetz handeln. Dann wird Strom aus Ihrer E-Auto Batterie ins Stromnetz geladen.
Intelligentes Laden als Vorstufe zum bidirektionalen Laden
Ihr E-Auto intelligent aufzuladen bedeutet, dass eine Steuerung den Ladevorgang nach bestimmten Kriterien optimiert. Das kann bedeuten, dass das Laden zu einer Zeit erfolgen soll, zu der der Strom besonders günstig ist. Es kann auch sein, dass Sie den Ladevorgang so lange verzögern möchten, bis Solarstrom aus Ihrer eigenen Photovoltaik-Anlage verfügbar ist.
Bidirektional zu laden erweitert diese Steuerung. Es leuchtet ein, dass ein in zwei statt in nur einer Richtung möglicher Ladevorgang nicht weniger, sondern eher noch einer detaillierteren Steuerung bedarf. Diese Steuerung regelt dann nicht nur die Entnahme von Strom, sondern auch den Stromfluss aus dem Netz oder ins Netz beziehungsweise zu anderen Stromverbrauchern.
Das Stromnetz der Zukunft als Ziel für bidirektionales Laden
Als Aspekt der Energiewende wird es dazu kommen, dass das Stromnetz statt durch wenige Kraftwerke aus vielen kleineren Stromquellen gespeist wird. Das erfordert nicht nur eine Umstellung der Stromerzeugung an sich, sondern auch einen wesentlich höheren Aufwand für die dauerhafte Stabilität des Netzes.
Ein großes Problem stellt der Umstand dar, dass die meisten Quellen für erneuerbare Energie nur unregelmäßig verfügbar sind. Im Fall der Sonnenenergie ist es sogar so, dass Strom gerade dann gebraucht wird, wenn die Sonne nicht scheint. Das betrifft die Beleuchtung und auch andere Stromverbraucher. Ihr E-Auto beispielsweise wird tagsüber regelmäßig nicht vor Ihrem Haus stehen, wo sie es mit Sonnenenergie laden könnten. Auch Windenergie steigt und fällt nicht mit der Tageszeit, ist aber trotzdem zumindest wetterabhängig.
Dieses Problem kann mit der Speicherung von Energie gelöst werden. Traditionell werden dafür Pumpspeicherkraftwerke eingesetzt, deren Turbinen sich mit billigem Strom aus der Grundlastversorgung als Pumpen einsetzen lassen und Wasser in höher gelegene Stauseen pumpen können. Zu Spitzenlastzeiten wird das Wasser auf die Turbinen geleitet und Strom erzeugt.
Diese Lösung wird für die Bewältigung des Ausgleichs der Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen nicht ausreichen. Stattdessen sind viele kleine Speicher gefragt, die diese Aufgabe verteilt über das gesamte Netz übernehmen können. Das liegt deshalb unmittelbar nahe, weil auch die Stromerzeugung verteilt sein wird. Neben Windfarmen und größeren Solarinstallationen gibt es schon heute Privathäuser mit eigenen Photovoltaik-Elementen auf dem Dach. Dieses Modell wird noch wesentlich stärker eingesetzt werden.
Ein E-Auto ist dann ökologisch, wenn der dafür erzeugte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Das bedeutet, dass der Strommix grüner werden muss. Nur ein E-Auto statt ein konventionelles Fahrzeug mit Verbrennungsmotor zu kaufen reicht für eine ökologische Lösung nicht aus. Bidirektional Laden ist eine Möglichkeit, wie E-Autos selbst zu einem grüneren Strommix beitragen können. Dazu sollte man sich vergegenwärtigen, dass ein privates E-Auto wie konventionelle Fahrzeuge höchstens etwa zehn Prozent der Zeit genutzt werden und oft noch weniger. Das bedeutet aber, dass das E-Auto und damit seine Batterie mindestens 90 Prozent der Zeit geladen oder an Verbraucher angeschlossen werden kann.
Die Technik des Ladevorgangs
Für das Aufladen der Batterie aus dem Netz muss der Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt werden. Ein Gleichrichter dafür befindet sich im E-Auto selbst oder im Ladegerät.
Bidirektional Laden bedeutet, dass dieser Vorgang auch umgekehrt ablaufen kann. Gleichstrom aus der Batterie muss also in Wechselstrom umgewandelt werden können. Das erfordert einen sogenannten Wechselrichter und bringt einen höheren apparativen Aufwand mit sich. Es ist keineswegs so, dass Sie einen Gleichrichter einfach in umgekehrter Richtung betreiben können.
Dazu ist auch noch eine Ladesteuerung nötig, besonders wenn bidirektional geladen werden soll. Diese Steuerung bestimmt, wieviel Strom in welche Richtung und zu welcher Zeit fließen soll.
Die Typen des bidirektional Ladens
Allgemein wird das bidirektional Laden mit dem Kürzel V2X bezeichnet. Das bedeutet Vehicle to X, also das Laden von irgendetwas aus dem E-Auto. Je nachdem was X bedeutet, ergeben sich verschiedene technische Herausforderungen.
V2L. Bei diesem Vehicle to Load Vorgang wird Gleichstrom aus der Batterie des E-Autos in Wechselstrom in der Spannung von 230 Volt und mit der Netzfrequenz von 50 Hertz umgewandelt. Damit steht also eine Stromversorgung zur Verfügung, die derjenigen aus dem Stromnetz entspricht. Sie können so handelsübliche Geräte aus der Batterie Ihres E-Autos betreiben, allerdings natürlich nur im Rahmen der Kapazität der Batterie.
V2H. Vehicle to Home bedeutet den Anschluss Ihres E-Autos an das Stromnetz in Ihrem Haus. Damit ist es zum Beispiel möglich, die Batterie mit billigem Nachtstrom aufzuladen und damit Spitzenlasten auszugleichen. Dieses Kostenvorteile fallen allerdings nur dann an, wenn Ihr Stromversorger die verschiedenen Preise auf dem Strommarkt auch an Sie als Endkunden weitergibt.
Sie können auch einen stationären Speicher für Strom in Ihrem Haus betreiben und mit der Batterie in Ihrem E-Auto ergänzen. Es liegt nahe, dass für ein solches System eine relativ aufwendige Steuerung erforderlich ist. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Home Energy Management System. Diese Steuerung kennt den typischen Verbrauch und die für die Aufladung zu verschiedenen Zeiten verfügbaren Stromquellen. Auf dieser Grundlage und mit von Ihnen gesetzten Parametern wird die Versorgung dann verwaltet. Diese Steuerung stellt beispielsweise sicher, dass sich in der Batterie Ihres E-Autos genügend Ladung befindet, um zur nächsten Lademöglichkeit zu gelangen.
Heute sind die Einspeisetarife der Stromnetzbetreiber wesentlich ungünstiger als bis zum Jahr 2009. Es ist daher für Sie ein beträchtlicher Vorteil, wenn Sie den Strom aus Ihrer eigenen Photovoltaikanlage selbst verbrauchen und nicht ins Netz einspeisen. Bidirektional zu Laden und damit ihre Batterien besser ausnützen zu können verbessert die Möglichkeiten dafür.
V2G. Das Vehicle to Grid System ist die aufwendigste, aber auch interessanteste Möglichkeit des V2X. Die Batterie Ihres E-Autos trägt in dieser Verwendung direkt dazu bei, das Stromnetz stabil zu halten und möglichst viel erneuerbare Energie bereitzustellen, wenn sie gebraucht wird. Zu diesem Zweck steht die Batterie eines privaten E-Autos etwa 90 Prozent der Zeit zur Verfügung.
Zu den technischen Herausforderungen zählt die Regulierung der Frequenz. Diese muss im Stromnetz in engen Grenzen stabil gehalten werden. Ökonomisch sind ebenfalls Probleme zu lösen. Die Batterie ist im Haus gerade in der Nacht verfügbar, wenn wenig Strom gebraucht wird. In Deutschland müssen für die Verwendung des V2G erst die regulatorischen Voraussetzungen geschaffen werden. Das Einspeisen von Strom direkt aus einer privaten Photovoltaikanlage oder auch aus einem stationären Stromspeicher ist bereits möglich. Das bidirektional Laden des Netzes aus einer Batterie eines E-Autos ist derzeit noch nicht verfügbar. In der Forschung und Entwicklung wird aber nicht nur an den Geräten gearbeitet, es werden auch Simulationen der Ergebnisse durchgeführt. Diese haben ergeben, dass es schon im Jahr 2030 möglich sein sollte, die Leistungsspitzen im ganzen Stromnetz mit dem Einsatz der E-Auto Batterien aufzufangen.
Technische Standards für bidirektional Laden
Chademo: Dieser Standard aus Japan wurde von Anfang an auf die Option bidirektional ausgerichtet. E-Autos mit diesem Standard sind derzeit die Einzigen, mit denen das Netz bidirektional geladen werden kann.
CSS: Dieser Standard ist in Europa verbreiteter. Bidirektional Laden ist mit CSS heute noch nicht möglich, es wird aber intensiv daran gearbeitet. Man rechnet damit, dass diese Option im Jahr 2025 verfügbar sein sollte.
E-Autos mit der Option bidirektional zu Laden
- Nissan Leaf
- Nissan e-NV200
- Mitsubishi Outlander
- VW ID Modelle, die 2022 noch mit der Option bidirektional zu Laden auf den Markt kommen werden.
Vorteile beim bidirektional Laden
- Schon heute können Sie durch das Laden ihrer eigenen Verbraucher mit dem Nützen günstiger Stromtarife Geld sparen.
- Bidirektional zu Laden ermöglicht Ihnen eine wesentlich bessere Ausnutzung Ihrer eigenen Photovoltaikanlage. Die Batterie Ihres E-Autos ergänzt oder ersetzt sogar einen stationären Stromspeicher in Ihrem Haus. Mit einem solchen System sind Sie zumindest zum Teil autark, was die Versorgung mit elektrischem Strom betrifft. Nachdem die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts zunimmt, ist dieser Vorteil nicht zu vernachlässigen. Auch eine Versorgung mit einem Teil Ihres üblichen Bedarfs ist wesentlich besser, als beim Ausfall des Stromnetzes völlig im Dunkeln zu sitzen.
- Im Vergleich zu einem stationären Stromspeicher hat die Batterie in Ihrem E-Auto einen wesentlichen Vorteil. Ihre Kapazität ist erheblich höher. Statt nur etwa 15 kWh speichern zu können, sind in einer Batterie in einem E-Auto zwischen 77 und 100 kWh gespeichert.
Probleme und Herausforderungen beim bidirektional Laden
- Die Kosten für ein bidirektional ausgelegtes Ladegerät sind immer noch wesentlich höher als für ein unidirektionales Gerät. Derzeit betragen diese Kosten in etwa eine mittlere vierstellige Summe.
- An übertragbarer Leistung stehen heute etwa 4 kW zur Verfügung. Verbesserungen dieser Situation sind in Arbeit.
Zusammenfassung
Bidirektional zu Laden ist eine Zukunftstechnologie, die erneuerbare Energie besser nutzbar macht und einen wesentlichen Pfeiler der Energiewende darstellen wird. Die Ausnutzung der Kapazität der E-Auto Batterien liegt deshalb nahe, weil die meisten privat genutzten Autos die weitaus meiste Zeit geparkt sind und ihre Batterien dann für Lastausgleich nutzbar sind. Schon heute kann bidirektional Laden im Haus oder im Unternehmen genutzt werden. Das bidirektionale Laden des Stromnetzes ist in Arbeit und wird in den nächsten ein bis zwei Jahren zu den wesentlichen Funktionen für ein E-Auto gehören.