Es ist eine technische Revolution aus dem beschaulichen Oberhaching bei München. Das induktive Laden von Elektrofahrzeugen ermöglicht es, angefangen beim E-Auto über den E-Gabelstapler bis zum E-LKW alles während des Fahrens oder beim Parken zu laden. Das Prinzip ist schon länger beim kabellosen Laden von Smartphones und bei elektrischen Zahnbürsten im Einsatz.
Wer hat´s erfunden?
Nein, diesmal waren es nicht die Schweizer. Mauricio Esguerra ist Physiker und Erfinder. Er gründete das Unternehmen Magment und will mit diesem E-Autos drahtlos laden.
„Es ist tatsächlich so einfach“, sagt Esguerra. „Für mich ist das gar nichts Besonderes. Ich arbeite seit 30 Jahren mit dieser Technologie. Aber mir ist klar, dass das für zahlreiche Menschen heute verblüffend sein kann.“
Das Prinzip hinter der Technik ist das induktive Laden. Was ist induktives Laden? Einfach gesagt wird dabei zwischen zwei Körpern ein elektromagnetisches Feld aufgebaut. Über dieses Feld fließt Strom direkt in einen angeschlossenen Gegenstand oder Körper. So werden neben modernen Smartphones auch elektrische Zahnbürsten aufgeladen.
So klappt das Laden beim Fahren
Als Grundlage für das Laden beim Fahren oder beim Parken dient Mauricio Esguerras magnetischer Zement. Werden Straßen, Parkplätze oder andere Untergründe damit gebaut, entsteht in Kombination mit dem Elektrofahrzeug ein oben beschriebenes Magnetfeld. So kann auch in Bewegung Strom übertragen werden.
Bei dieser Art des Ladens geht kaum Strom verloren. Der Wirkungsgrad liegt bei 95 %. Das bedeutet, dass 95 % der gesendeten Energie auch tatsächlich im Akku des entsprechenden Elektrofahrzeugs ankommt.
Laut Esguerra ist dieser hohe Wirkungsgrad durchaus mit jenem beim Laden über ein Kabel vergleichbar. Für das induktive Laden von E-Fahrzeugen ist weder die Bewegung noch die Höhe des Fahrzeugs entscheidend.
Aber: Je höher das Fahrzeug ist, desto größer muss auch die Empfängerspule sein.
Bei Siemens erfunden, dann in die Selbstständigkeit mitgenommen
Das Unternehmen Magment hat das Patent auf Magnetzement.
„Unsere Firma basiert auf magnetischem Beton. Das Patent dafür haben Ralph Lucke und ich vor beinahe 20 Jahren angemeldet. Damals arbeiteten wir noch bei Siemens“, sagt Esguerra.
Er selbst stammt aus Kolumbien, studierte aber Physik an der TU München. Seine Promotion feierte er in den USA. Für ihn ist heute klar, damals war es zu früh für seine Idee. Es gab wenig Anwendungsmöglichkeiten – speziell, da es damals kaum E-Autos und andere Elektrofahrzeuge in der heutigen Breite gab. Siemens sah in dem Produkt keine Zukunft und gab vor sieben Jahren das Patent frei. Esguerra und sein Partner packten die Chance am Schopf und sicherten sich das Patent. So wurde aus dem Erfinder und Physiker Mauricio Esguerra ein Firmengründer.
„Ich bemühe mich, in Sachen Unternehmensstrategie immer sachlich zu sein“, erzählt Esguerra. Er weiß auch den Grund, warum sich magnetischer Zement sowie die E-Mobilität in Deutschland schwertun. „Das Thema E-Mobility wird in Deutschland leider nicht sachlich, sondern rasch polemisch ‚diskutiert‘“, so der Physiker.
Langsam mahlen die Fördermühlen in Deutschland
Geld ist für Unternehmensgründer eine große Hürde. Bislang ist Esguerra zweimal mit einer Bewerbung um „Förderung von Pilotprojekten im öffentlichen Raum“ gescheitert. Die zuständige Politik konnte sich nicht zu einer Förderung entschließen.
Das hält die beiden Gründer aber nicht davon ab, weiterzumachen. Zusammen mit der Strabag haben die beiden das Projekt erneut eingereicht. Mit der Strabag wollen sie Straßen aus magnetischem Zement bauen.
„Wir geben die Hoffnung nicht auf. Wir sind schon vor einiger Zeit mit unserer Technologie in die USA gegangen. Dort läuft alles erheblich einfacher“, so Esguerra.
Magnetischer Zement in Indiana
„Im US-Bundesstaat Indiana wird aktuell der erste Highway aus magnetischem Zement gebaut. Dort werden Autos mit etwa 90 km/h fahren und gleichzeitig laden“, freut sich der Erfinder.
Für Mauricio Esguerra sind die USA tatsächlich noch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – speziell im Vergleich zu Deutschland. US-Präsident Joe Biden hat ein gigantisches Infrastruktur-Paket in Auftrag gegeben. Im Zuge dessen werden unzählige Straßen saniert.
Und wie reagierten die deutschen Fördergeber auf den US-Vorstoß?
„Als ich den Förderern hier in Deutschland den Hinweis gab, dass es in den USA schon losgeht, waren die perplex: Oh, wir sind spät dran! Aber noch nicht zu spät, habe ich ihnen gesagt“, erinnert sich Esguerra.
Magment geht 2021 an die Börse
„Unser Businessmodell hängt nicht davon ab, ob unsere Technologie es auf die deutsche Autobahn schafft“, resümiert Esguerra das langsame Verhalten der deutschen Entscheider. Für ihn steht strategisch fest: „Ich setze nicht auf Automotive, sondern auf Intralogistik.“
Als ersten großen Schritt sieht der Gründer also nicht die öffentliche Straße, sondern Unternehmen. Der magnetische Zement lässt sich ausgezeichnet auf Betriebshöfen, in Fabriken, in Lagereinrichtungen und vielen anderen Plätzen in einem Unternehmen auftragen. So können elektrische Gabelstapler, aber auch autonome Roboter während des Fahrens laden. Die beiden Gabelstaplerhersteller Kion und Jungheinrich kooperieren schon seit längerer Zeit mit Magment.
Statt mit dem Staat zu arbeiten, „arbeiten wir sehr unkompliziert im B2B-Bereich. Für unsere mittelfristigen Umsätze und Planungen reicht dieser Geschäftszweig komplett aus. Wir planen, noch heuer mit Magment an die Börse zu gehen“, erzählt Esguerra.
Warum will der Staat die Technologie nicht?
Zu teuer – das ist das Argument der deutschen Politik, warum man diese Technologie nicht nur nicht fördert, sondern auch nicht einsetzen will. Man beruft sich auf eine Studie, die induktive Lademöglichkeiten als deutlich teurer einstuft als den Ausbau von Oberleitungen.
Ironie des Schicksals – Esguerras alter Arbeitgeber Siemens hat damit begonnen, mit großzügigen staatlichen Förderungen mehrere Autobahnabschnitte mit Oberleitungen zu versorgen. Dabei sollen bis 2030 rund 4.000 Kilometer mit dieser Form des Lademanagements bebaut werden.
„Oberleitungen sind veraltet“
Mauricio Esguerra sieht in der Oberleitung keine Zukunft.
„Die Technologie“, so der Magment-Gründer, „von Oberleitungen ist veraltet und fehleranfällig. Und noch dazu eine Lösung ausschließlich für LKW“.
Und in diesem Punkt hat er recht. Das Laden über die Oberleitung steht E-Autos nicht zur Verfügung. Diese müssen bei der Oberleitungstechnologie weiterhin andere Ladeoptionen finden.
„Wir können unsere Technologie zu überaus erträglichen Kosten anbieten. Unser Produkt besteht aus Zement und magnetischen Materialien, die wir beim Recycling von Elektroschrott gewinnen“, erklärt Esguerra.
Wie „grün“ ist das Wireless Charging tatsächlich?
Magment liefert das Know-how und die Technologie. Noch produziert das Unternehmen keinen Zement. Das übernehmen Produzenten vor Ort. Das bedeutet, dass lange Lieferwege einfach wegfallen. Schon das macht das Produkt ein Stück mehr klimafreundlich.
Für Esguerra besteht auch die Möglichkeit, CO2-armen und somit „grünen“ Zement zu verwenden. Das würde die Emissionen beim Bau erheblich senken.
Grüner wird es auch dadurch, dass die E-Autos mit erheblich kleineren Batterien unterwegs sein werden. „Weil sie öfter laden, brauchen sie weniger Ladekapazität“, verrät der Firmengründer.
Dafür hat Esguerra auch ein Rechenbeispiel:
„In einem voll auf induktives Laden von Gabelstaplern setzenden Logistikzentrum können zwei Drittel der Batteriegrößen eingespart werden. Nimmt man an, es gibt sechs bis sieben Millionen solcher Elektrofahrzeuge allein in Deutschland und wir stellen einen Marktanteil von 25 Prozent, dann können hier 10 bis 20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden“, beeindruckt der gebürtige Kolumbianer.
„Wir können nicht auf die Autobauer warten“
Neben Magment gibt es auch das Unternehmen Electreon Wireless aus Israel. Das Unternehmen hat vor kurzem eine Teststrecke in Schweden fertiggestellt – und das sehr erfolgreich.
Das US-Start-up Witricity arbeitet ebenso an einer drahtlosen Ladetechnologie. Beide Unternehmen lukrierten für ihre Technologie bereits 50 Millionen Dollar und mehr von unterschiedlichen Investoren. Dazu gehören aktuell nicht die großen Autokonzerne in Deutschland. „Wir lassen uns davon aber nicht ausbremsen“, gibt sich Esguerra kämpferisch.
„Wir lösen uns von dem Thema Automotive. Wir können nicht auf die Autobauer warten. Wir statten jetzt erst einmal die Straßen mit unserer Technologie aus. Zum Glück gibt es bereits eine Norm. Das ist sehr hilfreich für uns. Und dann können die Autokonzerne auch später noch hinterherfahren“, lächelt der Firmengründer.