Die britische Zeitung „Times“ veröffentlichte jüngst einen Artikel, der alle Liebhaber der Elektromobilität aufschrecken ließ. Demnach plant die Regierung in London den E-Auto-Fahrern sprichwörtlich den Saft abzudrehen. Konkret geht es darum, ab Mai 2022 private Ladestationen temporär abzuschalten.
Die Regelung soll dazu dienen, den Ausfall des Stromnetzes zu verhindern. Die großen Energieerzeuger fürchten eine Netzüberlastung und damit einen Blackout, wenn zu viele Elektroautos zum selben Zeitpunkt Elektrizität beziehen. Werktags von 8:00 Uhr bis 11:00 Uhr vormittags sowie von 16:00 Uhr bis 22:00 Uhr werden private Heim-Ladestationen deaktiviert. Das manuelle Abschalten der Station seitens des Besitzers ist nicht erforderlich. Vielmehr geschieht dies automatisch per Fernzugriff.
Drohende Überlastung der Netze
Ferner führt die „Times“ aus, dass in Großbritannien gegenwärtig lediglich 300.000 Elektroautos zugelassen sind – keine beeindruckende Zahl bei einem Pkw-Bestand von 35 Millionen. Da die Regierung bereits jetzt Zweifel an der Zuverlässigkeit des Stromnetzes anmeldet, erscheint es fraglich, ob die ehrgeizigen Klimaziele realistisch sind. Ab 2030 sollen keine Benziner oder Dieselfahrzeuge neu zugelassen werden. Laut Prognosen der Tageszeitung „Daily Mail“ entsteht aufgrund der Nutzung von E-Autos ein zusätzlicher Strombedarf in Höhe von 18 GW in Spitzenzeiten. Um diese Menge zu produzieren, sind sechs Atomkraftwerke nötig. Wie der Spagat zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der exorbitanten Erhöhung des Stromverbrauchs zu schaffen ist, bleibt den Briten ein Rätsel.
Klingt alles viel schlimmer, als es tatsächlich ist?
Allen Unkenrufen zum Trotz kommt es höchstwahrscheinlich doch nicht so schlimm wie befürchtet. Während der Nacht gelten die Restriktionen nicht. Es ist anzunehmen, dass die meisten Besitzer von Elektrofahrzeugen ihren Wagen während der Nachtstunden laden werden. Gemäß den Planungen ist dies problemlos umsetzbar. Im Zeitraum von 8:00 Uhr bis 11:00 Uhr morgens sind die meisten Menschen an der Arbeit und nutzen die privaten Heim-Ladestationen demnach nicht.
Darüber hinaus sind öffentliche Ladesäulen und Schnelllader an den überörtlichen Verkehrsnetzen von der Gesetzesreform nicht betroffen. Das behauptet zumindest die Regierung in London. Wie werthaltig das Versprechen ist, wird die Zukunft zeigen. Bereits jetzt treten immer öfter Komplikationen mit der flächendeckenden Stromversorgung auf. Da der Wind im Sommer nicht so oft und stark weht wie erhofft und zudem die Versorgung mit Erdgas ins Stocken gerät, erleben die Kohlekraftwerke eine Renaissance. Sie werden momentan teils unter Volllast betrieben.
Peter Altmaier und die „Spitzenglättung“
Die deutschen Stromkonzerne waren seit Langem vor Versorgungsengpässen. Ursächlich ist die Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien. Steigt der Strombedarf nun durch die Verbreitung von E-Autos stark an, erscheinen Netzausfälle so gut wie sicher. Um dem entgegenzuwirken, soll laut dem Gesetzesentwurf des Wirtschaftsministeriums die „Spitzenglättung“ eingeführt werden. Bei der Bezeichnung handelt es sich um eine nette Umschreibung des Begriffs Zwangsabschaltung. Zu Zeiten, an denen der Strombedarf besonders hoch ist, sollen Elektroauto-Besitzer ihre private Wallbox nicht mehr nutzen dürfen. Nach britischem Vorbild erfolgt die Deaktivierung automatisch durch den Netzbetreiber.
Die Politik rudert bereits zurück
Nachdem die „Welt“ die Pläne des Wirtschaftsressorts publik machte, ruderte dieses umgehend zurück. So betonte das Ministerium, dass es sich bei dem Papier lediglich um einen Entwurf handele, der von Peter Altmaier zunächst nicht weiter verfolgt werden würde.
Schwierige Zeiten voraus
Die Spitzenglättung wird nicht dazu beitragen, Besitzern von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor den Elektroantrieb schmackhaft zu machen. Trotzdem liegt es nahe, dass immer mehr Menschen auf E-Autos umsteigen werden. Schließlich werden diese finanziell gefördert und die Preise an den Tankstellen erreichen immer neue Rekordhöhen. Die Grünen planen indes, den Preisanstieg weiter zu verschärfen.
Wo und insbesondere wie die Masse an Elektrofahrzeugen laden soll, ist momentan nicht abzusehen. Sicher scheint nur, dass der Strombedarf stark steigen wird und die Ladezeiten eingeschränkt werden müssen.