Keine Frage: Die Elektromobilität ist bereits weit gekommen. Vor allem in jüngster Zeit hat der Ausbau Fahrt aufgenommen und auch die Bereitschaft hat (nicht zuletzt begründet durch mehrere Fördermöglichkeiten) deutlich zugenommen.
Es gibt sie aber, diese Momente, in denen die E-Mobilität im Alltag ihre Grenzen erreicht und man auch als Verfechter des lautlosen Antriebs einfach nur noch genervt ist.
An einen solchen Punkt bin ich neulich bei einer Langstrecken-Fahrt mit meinem Fiat 500e gestoßen.
Vorab sei gesagt, dass ein Fiat 500e natürlich nicht das Musterbeispiel eines Langstreckenfahrzeugs ist. Das ist mir bewusst. Und dennoch kommt der kleine Italiener laut WLTP bis zu 320 km weit. Auch meine Praxiserfahrung aus 6 Monaten mit dem Auto zeigt: 300 km sind durchaus realistisch. Zusammen mit einer Ladeleistung von 85 kW DC ist der Kleinstwagen in etwas über 20 Min wieder zu 80% aufgeladen. Langstrecke funktioniert also prinzipiell schon – dazu gehört aber im Alltag trotzdem mehr als nur die Werte vom Datenblatt.
Warum sich Ladeinfrastruktur und Fiat 500e auf meinem letzten Roadtrip nicht gerade mit Ruhm überhäufen konnten, fasse ich Ihnen in den nachfolgenden Zeilen zusammen.
Schnellladepunkte und Stoßzeiten: Eine ausbaufähige Kombination
Am allgemeinen Verkehrsaufkommen merkt man einem Sonntagabend auch außerhalb von Ferienzeiten gerne Mal an, dass zwar weniger LKW unterwegs sind, dafür jedoch umso mehr Reiseverkehr in Form von PKW. Vor Reiseantritt vom mittelfränkischen Ansbach zurück nach Regensburg (knapp 170 km) wollte ich einen kurzen Blick auf gängige Ladeapps wie EnBW mobility+ nutzen, um mir einen Eindruck zu verschaffen, wo genau ich auf meiner Route entlang mit (Schnell)Ladepunkten rechnen kann. Dieser erste Blick 30 Minuten vor Abfahrt ließ bereits erahnen, worauf es hinausläuft. Sämtliche DC-Ladepunkte entlang der Strecke wurden rot hinterlegt angezeigt: Kein freier Ladepunkt verfügbar!
„Na gut, ist ja nur eine Momentaufnahme!“, war meine optimistische Einschätzung. Und DC-SCHNELLladepunkt werden ja in der Regel auch nur wenige Minuten belegt.
Der Antriebsakku des 500e war bei Fahrtantritt zu rund 50 % gefüllt. Mit einem vollen Akku hätte ich die Strecke ohne Zwischenstopp locker bewältigen können – vorab geladen habe ich absichtlich nicht, weil mich der Selbstversuch „DC-Schnellladen“ einfach gereizt hat.
Los geht’s: Die ersten 100+ Kilometer schaffe ich mit dem aktuellen Akkustand ja.
Wenn das Elektroauto navigiert, als wäre es ein Verbrenner
Vorab muss ich sagen, dass ich mit dem im Fiat 500e verbauten Infotainment-System generell sehr zufrieden bin. Es läuft flüssig, hat eine gute Benutzerführung und reichlich Funktionen, welche ich einem Auto dieser Fahrzeugklasse zuvor nicht zugetraut hätte. Auch das Feature, zu einem nahegelegenen Ladepunkt zu navigieren hatte ich im bisherigen Einsatz ohne Langstrecke als sehr zuverlässig wahrgenommen.
Auf längeren Strecken zeigt das von Fiat genutzte Navigationssystem und die dahinterliegende Datenbasis allerdings gravierende Mängel:
Das System bezieht in keiner Weise die Ladeleistung mit in die Routenberechnung ein! Die einzige Logik des Bord-Navis: Akku ist nach X Kilometern leer, zeige Ladepunkte auf/an der Streckenführung an.
Das Auto bezieht also nicht mit ein, ob es sich um AC- oder DC-Ladepunkte handelt. Wer auf der Autobahn unterwegs ist, möchte den Fahrzeugakku jedoch unbedingt in 20 Minuten am DC-Schnelllader befüllen, statt mit 11 kW AC-Ladeleistung 3+ Stunden an einer Ladesäule ausharren zu müssen.
Was ebenfalls fehlt: Das Auto-Navi bezieht keine Echtzeit-Daten, wie es um die Auslastung der anzunavigierenden Ladepunkte bestellt ist. Es ist also reines Glücksspiel, ob die angefahrene Ladestation am Ende auch wirklich frei ist.
Völlig unverständlich, warum man diese so wichtigen Funktionen bei einem Fahrzeug, welches auf einer dedizierten Elektro-Plattform steht, nicht einbezieht. Vermutlich (und hoffentlich) wird diese Funktionalität mit einem kommenden Software-Update noch nachgereicht. Dass ein E-Auto aber nur sehr bedingt zu Ladesäulen navigieren kann, dürfte jedoch mittlerweile nicht mehr vorkommen dürfen.
Mit Drittanbieter-Apps endlich zum Ladepunkt finden?
Vor Fahrtantritt daran zu scheitern, bereits jetzt einen DC-Ladepunkt im Laufe der Route auszuwählen war sehr ernüchternd. Zum Glück ist das Auto-Navi ja nicht die letzte und einzige Option an die für das Weiterkommen so wichtigen kWh zu kommen.
Apple CarPlay-Integration sei Dank, konnte ich bequem auf die EnBW mobility+-App ausweichen, um mir hierüber eine passende Lademöglichkeit filtern zu können. Das klappt auch bedeutend intuitiver und gezielter als auf dem Auto-Navi. Schnell ist auf halber Strecke ein DC-Lader mit einer Leistung von über 150 kW ausgemacht – der 500e und seine 85 kW Ladeleistung können also volle Power geben.
2 von 2 Ladepunkte werden als frei angezeigt – perfekt, hier habe ich voraussichtlich auch später noch gute Karten, um an Strom zu kommen. Wegpunkt als Zwischenziel setzen.
Endlich setze ich mich in Bewegung – zu diesem Zeitpunkt habe ich bereits etwa 10 Minuten mit der Vorab-Ladeplanung verloren. Ich bin leicht genervt – aber auch optimistisch, weil ich zu diesem Zeitpunkt davon ausgehe, dass ich mir mit meinem Workaround über die externe App gut geholfen habe. Ich bin einem Ladepunkt damit zwar nähergekommen, was aber keinesfalls bedeutet, dass ich damit am Ende dieser kleinen Odyssee wäre…
Auch Apps scheitern gerne an einer zuverlässigen Datenbasis
Nach etwa einer Stunde Fahrt erreiche ich den angepeilten DC-Ladepunkt, der laut Karte in unmittelbarer Nähe zur Autobahn liegt. 8 % verbleibende Akkukapazität – perfekt getimed, freue ich mich. Wie sich herausstellt, befindet sich der 150 kW-Lader auf dem Kundenparkplatz eines großen Baumarktes.
Wie sich ebenfalls herausstellt, wird dieser Parkplatz außerhalb der Öffnungszeiten durch zwei Schranken abgesperrt – und somit auch die Zufahrt zur Lademöglichkeit. In der via Apple CarPlay auf dem Auto angezeigten App wird die Ladestation noch immer „grün“ und mit zwei freien Ladepunkten angezeigt – kein Wunder, es gibt ja auch kein Durchkommen.
Ungläubig und genervt checke ich die gleiche App auf meinem Smartphone. Und siehe da: „Parkplatz nur innerhalb der Ladenöffnungszeiten zugänglich.“ An einem Sonntag um 18 Uhr ist das natürlich nicht der Fall.
Ich ärgere mich und gehe davon aus, dass ich dies übersehen habe. Aber nein: Was in der Smartphone-App angezeigt wird, ist in der CarPlay-Version der Anwendung nicht ersichtlich. Das entsprechende Textfeld wird auf dem Infotainment-Display im Fahrzeug schlichtweg nicht angezeigt. Verlasse ich mich also rein auf die Info in dieser Ansicht, kann ich gar nicht erst sehen, dass sich die Lademöglichkeit auf einem Kundenparkplatz befindet, welcher noch dazu Öffnungszeiten unterliegt.
Und ohnehin: Das Icon der Ladesäule wird in beiden Versionen der Applikation „grün“ angezeigt und beide Ladepunkte als frei – was ja auch nicht der Situation entspricht. Wenn ich mich erst durch mehrere Untermenüs kämpfen muss, um zu erkennen, dass ein als „frei“ angezeigter Ladepunkt gar nicht erreichbar ist, dann ist das einfach nicht alltagstauglich.
Nächstes mal auf Nummer sicher: Start mit vollem Akku
Mein Vorteil bei diesem unschönen Ladeerlebnis war, dass ich den Fiat 500e aufgrund seiner Abmessungen und der Wendigkeit gerade noch so an der geschlossenen Schrankenanlage vorbei auf den Parkplatz manövrieren konnte. Nicht ganz im Sinne des Erfinders, aber immerhin musste für die Weiterfahrt „Strom in den Tank“ – und die freie Ladesäule war ja bereits in Sichtweite.
Endlich am DC-Lader angekommen läuft alles, wie man es sich vorstellt: Anstecken, Ladekarte gegenhalten, Ladevorgang starten und begeistert zusehen, wie die Ladeleistung einen (wie ich finde) beeindruckenden Wert erreicht. Nach nicht einmal 15 Minuten habe ich bereits mehr als genug Strom für meinen Heimweg nachgeladen und kann meine Reise (mit Feingefühl zwischen Schranke und Bordstein entlang) fortsetzen. Das eigentliche Laden hat wunderbar funktioniert: Schnell und unkompliziert. Aber der Weg bis dahin war aufreibend und kein Erlebnis, welches ich mir für eine weitere Langstreckenetappe vorstellen möchte.
Für meine nächste Route nehme ich mir auf jeden Fall wieder vor, vollständig vollgeladen loszufahren – innerorts sind die Navigations-Features des 500e wenigstens zu gebrauchen, da sie mich hier gerne auch an eine AC-Ladesäule führen dürfen. Beim DC-Laden werde ich wohl auch die nächsten Male noch einiges an Zeit mit der „vorab Planung“ verbringen, um eine solche Situation künftig ausschließen zu können.
Zwei Parteien haben meiner Ansicht nach noch einiges an Hausaufgaben zu erledigen:
- Die (Software)-Entwickler*innen der Automobilhersteller und die Anbieter von Lade-Apps.
- Die Betreiber der Ladeinfrastruktur: Kapazitätsengpässe zu Stoßzeiten müssen eine absolute Ausnahme bleiben und dürfen nicht zum Regelfall werden.
Ich werde auch künftig aus voller Überzeugung elektrisch unterwegs sein – und das auch gerne mit meinem Fiat 500e.
Auch wenn die „E-Auto Bubble“ (zu welcher ich mich dazuzähle) meist völlig euphorisch zu ihrer Passion steht, so zeigen Erfahrung wie diese, dass wir noch mindestens genau so viel Arbeit vor uns, wie wir auf dem Weg zu einer vollständigen Elektrifizierung bereits geschafft haben.