Das Elektroauto ist für viele Menschen Sinnbild für einen nachhaltigen, umweltfreundlichen Lebensstil. Wer mit Strom fährt, verbrennt schließlich erst einmal keine fossilen Brennstoffe für die Mobilität. Das stimmt aber nur auf den ersten Blick. Tatsächlich muss man immer im Blick behalten, woher der Strommix aus der Steckdose kommt.
Da steckt in Deutschland (auch bei Buchung eines Ökostrom-Tarifs) doch noch oft Strom aus fossilen Brennstoffen dahinter. Anders sieht es aus, wenn der Strom für die Wallbox in der heimischen Garage von der Solaranlage auf dem Dach, einer eigenen Windkraftanlage im Garten oder anderen nachhaltigen Stromquellen kommt. Dann ist der Ladevorgang zu Hause ein aktiver Beitrag zu einem nachhaltigen, umweltfreundlichen Leben. Und dann ist bidirektionales Laden über ein spezielles Ladegerät auch sinnvoll:
Ist der Akku des Elektroautos voll, die Stromproduktion im Haus bei null und die Waschmaschine soll am Abend trotzdem noch laufen, kann das Elektroauto es möglich machen.
Für Schnellleser und -leserinnen: Die wichtigsten Fakten in Kürze:
- Bidirektionales Laden erfordert ein spezielles Ladegerät für das Elektroauto. Dieses Ladegerät kann den Ladevorgang sozusagen umdrehen, sodass dem Akku im Elektroauto der Strom entzogen und einem anderen Gerät oder Netz zugeführt wird.
- Um das zu ermöglichen, muss der Wechselstrom (AC) des Stromnetzes in den Gleichstrom (DC) für den Akku des Elektroautos umgewandelt werden, und der Wechselvorgang muss auch in die andere Richtung funktionieren. Der Wandler sitzt in der Regel im bidirektionalen Ladegerät. Beim unidirektionalen Laden kann der Wandler auch im Elektroauto sitzen.
- Bidirektionales Laden ist per se erlaubt. Aber bei einer solchen Zweckentfremdung kann die Garantie für den Akku im Elektroauto verfallen.
- Für Eigenheimbesitzer und -besitzerinnen kann bidirektionales Laden eine sinnvolle Alternative zum Festspeicher im Keller sein.
- Nicht jedes Elektroauto unterstützt bidirektionales Laden, einige können den Ladevorgang aber durchaus von Haus aus umkehren. Das sind unter anderem der Nissan Leaf und der Nissan e-NV200, der Mitsubishi Outlander und der Mitsubishi Eclipse Cross sowie der Kia EV6 und der Hyundai Ioniq 5.
Wie genau funktioniert bidirektionales Laden?
Bidirektionales Laden bedeutet erst einmal nur, dass der Ladevorgang in beide Richtungen funktioniert. Es muss sich also nicht zwangsläufig um einen Ladevorgang handeln, an dem ein E-Auto beteiligt ist. Dennoch wird der Term häufig in diesem Zusammenhang verwendet. Denn natürlich ist es eine reizvolle Idee, den Akku von Elektroauto oder Hybrid mit seinen beachtlichen Kapazitäten auch zu nutzen, um elektrischen Strom zu speichern und bei Bedarf in Netze einzuspeisen. So könnte sich das beispielsweise flächendeckend das Problem der starken Schwankungen im Stromnetz lösen lassen, das mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien einhergeht.
Bidirektionales Laden erfordert einige Komponenten. Der Ladevorgang benötigt ein Elektroauto oder ein Hybridfahrzeug und die verbundene Ladeinfrastruktur (Wallboxen und die respektiven Kabel und Stecker), ein Energiesystem wie beispielsweise das Haus- oder Gebäudenetz und eine einheitliche Kommunikation. Ohne Software geht es also nicht, bidirektionales Laden ist computergestützt. Technisch passiert dabei Folgendes:
- Beim Weg vom Stromnetz zum Elektroauto wird der Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt. Denn der Akku im Elektroauto benötigt immer Gleichstrom. Im normalen Ladevorgang ist das schon vorgesehen, der dafür nötige Wandler sitzt entweder direkt im Elektroauto, oder er ist im Ladegerät verbaut.
- Beim Weg vom Elektroauto zurück ins Stromnetz (Gebäude, Haus oder öffentliches Netz) muss der Gleichstrom aber wieder in Wechselstrom umgewandelt werden. Das ist also der umgekehrte Vorgang im Vergleich zum ursprünglichen Ladevorgang. Die im Wagen verbaute Technik kann das nicht leisten, der dafür nötige Wandler sitzt im Ladegerät.
Warum sollte der Ladevorgang überhaupt umgedreht werden?
Es gibt drei verschiedene Anwendungen für bidirektionales Laden, die alle mehr oder weniger sinnvoll erscheinen:
- Vehicle to Load, kurz V2L: Dabei werden einzelne Geräte wie beispielsweise E-Bikes, Campingausrüstung oder anderes mit Strom versorgt. Elektroautos mit einbebauten 230-Volt-Schuko-Steckdosen können das schon. Ansonsten ist ein Typ-2-Ladeport sinnvoll.
- Vehicle to Home, kurz V2H: Ist das Haus nicht mit dem Stromnetz verbunden oder soll das interne Stromnetz (Insel) mit Strom versorgt werden, kann dieser aus dem Akku des Elektroautos kommen. Das mag sinnvoll sein, wenn energieautarke Häuser einen Peak meistern müssen oder in ähnlichen Situationen.
- Vehicle to Building, kurz V2B: Auf den ersten Blick klingt die Versorgung von Haus und Gebäude gleich, aber bei V2B versorgen mehrere Fahrzeuge bis hin zu ganzen Flotten größere Gebäude mit Strom. Auch diese Methode kann Lastspitzen abdecken. Denkbar ist aber auch, in Notfällen die Versorgung der kritischen Infrastruktur auf diese Weise sicherzustellen. Immer dann, wenn das öffentliche Stromnetz nach Naturkatastrophen oder im Falle eines Angriffs auf die Strukturen ausfällt, wäre so Versorgungssicherheit garantiert.
- Vehicle to Grid, kurz V2G: Das Elektroauto gibt dem Strom in diesem Fall einfach an das normale Stromnetz zurück. So kann lokaler, regionaler oder sogar nationaler Energiebedarf bei intelligenten Ladevorgängen ausgeglichen und reguliert werden. Denkbar ist beispielsweise, dass der Wagen in einer Nebenzeit, in der viel Strom zur Verfügung steht und wenig Strom benötigt wird, lädt. Zu Spitzenzeiten, in denen der Strombedarf besonders hoch ist, wird der Strom ans Netz zurückgegeben. Das Elektroauto ist in diesem Fall so eine Art öffentlicher Stromspeicher. Da Autos im Schnitt zu 95 Prozent ihrer Zeit auf dem Parkplatz stehen, ist das mit etwas Planung und der nötigen Infrastruktur durchaus umsetzbar und kann in Zukunft das Stromnetz stabilisieren.
Ist bidirektionales Laden gleich intelligentes Laden?
Nein, beim Ladevorgang muss noch weiter unterschieden werden. Das sogenannte intelligente Aufladen (oft auch Englisch als smart charging bezeichnet) bezieht sich auf den unidirektionalen Ladevorgang genauso wie auf bidirektionales Laden. Es bedeutet lediglich, dass Ladezeit und Ladekosten von einem smarten Gerät gesteuert werden. Das kann über eine App passieren, die aufgrund der Energieproduktion des Eigenheims genau weiß, wann gerade ein Überschuss vorhanden ist, den der Akku des Elektroautos gut speichern kann. Das kann aber auch schlicht mit Rücksicht auf die Stromkosten des Energieversorgers passieren, denn das Aufladen von nicht sofort benötigten Geräten kann aufgrund schwankender Nachfrage mal günstiger und mal weniger günstig sein. In diesem Fall spart intelligentes Laden sogar Geld, beispielsweise bei Nachtstromtarifen.
Fazit: Bidirektionales Laden ist bedingt sinnvoll und kann sogar Geld sparen
Bidirektionales Laden meint schlicht, dass der Ladevorgang beim Elektroauto umgekehrt wird. Der Akku gibt den zuvor geladenen Strom ans Netz, an ein Gebäude, Eigenheim oder Geräte ab. In Zukunft ist denkbar, dass so ganze Städte über smarte Stromnetze verfügen und ausschließlich über erneuerbare Energien versorgt werden – sie könnten damit sogar autark werden. Die Ampelkoalition hat sich das Ermöglichen von bidirektionalem Laden auf die Agenda geschrieben. Allerdings ist das derzeit noch mit Nachteilen verbunden. So kann beispielsweise die Garantie des Akkus im Elektroauto verfallen, wenn der Ladevorgang umgekehrt wird.